Rz. 92

 

Definition

Raub liegt vor, wenn

gegen den Versicherungsnehmer Gewalt angewendet wird, um dessen Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten,
er diese herausgibt oder sich wegnehmen lässt, weil eine Gewalttat mit Gefahr für Leib oder Leben angedroht wird, die innerhalb des Versicherungsortes verwirklicht werden soll bzw.
ihm versicherte Sachen weggenommen werden, weil sein körperlicher Zustand infolge eines Unfalls oder einer nicht verschuldeten sonstigen Ursache beeinträchtigt und dadurch sein Widerstand ausgeschaltet ist.
 

Rz. 93

Dem Versicherungsnehmer stehen die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen, ­Besucher und Untermieter sowie Personen, welche die Wohnung während der Abwesenheit des Versicherungsnehmers beaufsichtigen oder sich berechtigt vorübergehend in ihr aufhalten, gleich. Gewaltanwendung ist der Einsatz nicht ganz unerheblicher körperlicher oder mechanischer Energie gegen diesen Personenkreis. Deshalb unterfallen sog. Blitz- und Trickdiebstähle, bei denen jedweder Widerstand allein durch die Schnelligkeit des Handels und das Überraschungsmoment nicht mobilisiert werden kann, nicht der Entschädigungspflicht wegen Raubes; in A § 3 Ziff. 4 VHB 2010 ist dies ausdrücklich vermerkt. Wenn beispielsweise einem Passanten auf offener Straße die Handtasche oder ein Fotoapparat entrissen wird, liegt ein deckungspflichtiger Raub nur vor, wenn der Geschädigte den Angriff vorausgesehen und deshalb besondere Kraft zur Sicherung des entwendeten Gegenstandes entfaltet hat.[120] Das gleiche gilt, wenn der erste Zugriff des Täters misslingt oder der Geschädigte in sonstiger Weise von dem Angriff Kenntnis erlangt und sich deshalb diesem widersetzt. War dagegen die Entwendung für den Geschädigten überraschend erfolgt, so liegt im Regelfall lediglich ein Diebstahl und damit kein ersatzpflichtiger Versicherungsfall vor, es sei denn, dass der Geschädigte in der allgemeinen Erwartung eines derartigen Ereignisses den entwendeten Gegenstand so festgehalten hatte, dass die Entwendung trotz des Überraschungseffekts nur unter besonderer Kraftentfaltung erfolgen konnte (Nachweis z.B. durch zerrissenen Handtaschenriemen). Wenn der Versicherungsnehmer, der das Eindringen der Täter in die Wohnung bemerkt hat, sich aus Sorge um sich selbst und seine Familienangehörigen nicht rührt und die Täter ihn deshalb nicht bemerken, liegt ebenfalls kein Raub vor, da die Täter gar nicht damit rechnen, dass ein Opfer vorhanden ist, dessen Widerstand überwunden werden müsste und dementsprechend keine Gewalt gegen den Versicherungsnehmer ausüben.[121] Ebenso liegt kein Raub vor, wenn der Täter überraschend durch das geöffnete Fenster eines Autos auf dem Rastplatz greift.[122]

 

Rz. 94

Adressat der Androhung einer Gewalttat mit Gefahr für Leib und Leben ist der Versicherungsnehmer oder eine der ihm gleichgestellten Personen (siehe Rdn 93); bedrohtes Opfer kann irgendein beliebiger Mensch sein, vorausgesetzt, die Gewalttat soll innerhalb des Versicherungsortes verwirklicht werden. Damit sind alle Fälle der Geiselnahme und der Entführung mit dem Ziel der Erpressung eines Lösegeldes nicht versichert.[123]

 

Rz. 95

In der dritten Alternative nutzt der Täter aus, dass die Widerstandskraft infolge anderer Umstände bereits ausgeschaltet ist, vornehmlich durch einen Unfall. Eine körperliche Behinderung begründet allerdings keine derartige Ausschaltung der Widerstandskraft, ebenso wenig Alter und körperliche Erschöpfung. Dies kann aber nur für den Regelfall gelten. So besitzt eine vollständig gelähmte Person zweifelsfrei keine relevante Widerstandskraft gegen die Wegnahme ihres Hausrats; erkennt der Täter dies, besteht kein Unterschied zu einem hilflos daliegenden Unfallopfer.

[120] OLG Düsseldorf r+s 2015, 393.
[121] OLG Frankfurt, Az.: 7 U 15/2001, n.v.
[122] LG Köln VersR 2015, 751.
[123] Dietz, § 5 Rn 3.2.

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