aa) Mögliche Rechtsfolgen

 

Rz. 178

Bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht war der Versicherer unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 a.F. VVG zum Rücktritt vom Versicherungsvertrag berechtigt und wurde darüber hinaus gegebenenfalls nach § 21 VVG leistungsfrei. Sofern und sobald das VVG 2008 auf den konkreten Versicherungsvertrag Anwendung findet (vgl. hierzu Rdn 5 ff.), besteht ein uneingeschränktes Rücktrittsrecht des Versicherers nur noch bei vorsätzlicher Anzeigepflichtverletzung. Bei grober Fahrlässigkeit – dem in der Praxis weitaus häufigeren Fall – ist § 19 Abs. 4 VVG zu beachten.

 

Rz. 179

Daneben kommt Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung in Betracht. Der Ansicht des OLG Nürnberg, in Anlehnung an die Grundsätze über fehlerhafte Dauerschuldverhältnisse wirke die Anfechtung nur ex nunc, wenn der verschwiegene Gefahrumstand nicht in Zusammenhang mit dem späteren Versicherungsfall stehe, kann angesichts des klaren Gesetzeswortlauts nicht gefolgt werden.[193] Der BGH hat dem durch Urt. v. 1.6.2005 eine klare Absage erteilt.[194]

[193] OLG Saarbrücken VersR 2001, 751.

bb) Rücktritt

 

Rz. 180

Der Rücktritt setzt voraus, dass die Anzeige eines erheblichen Umstandes unterblieben ist und dies auf schuldhaftem Handeln (nach dem VGG 2008 auf vorsätzlichem oder zumindest grob fahrlässigem Handeln) des Versicherungsnehmer beruht.

Für die Übernahme der Gefahr erheblich sind solche Umstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers Einfluss auszuüben, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen. In der Hausratversicherung werden diese durch den Fragekatalog des Versicherers in dem Antragsformular festgelegt. Er enthält regelmäßig Fragen nach Vorversicherungen und Vorschäden, der Lage der Wohnung, der Bauweise des Gebäudes, der Wohnfläche sowie danach, ob es sich um eine ständig bewohnte Wohnung handelt. Bei nicht ständig bewohnter Wohnung wird darüber hinaus gefragt, ob sich diese in einem von einem Dritten ständig bewohnten Gebäude befindet und ob dieses innerhalb oder außerhalb eines geschlossenen Wohngebietes liegt (Fragen zur Risikobewertung). Bei Hausratversicherungen mit hoher Versicherungssumme oder besonderen Entschädigungsgrenzen für Wertgegenstände finden sich außerdem Fragen nach Sicherheitseinrichtungen der Wohnung usw.

 

Rz. 181

Nach § 16 Abs. 1 S. 3 VVG galt ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hatte, im Zweifel als erheblich. Die Vermutung war aber widerlegbar. Sie war entkräftet, wenn nach Tatsachen gefragt wurde, die nach den Grundsätzen der Versicherungstechnik nicht gefahrerheblich sein können. Dazu gehört die Frage nach der Wohnfläche. Die Größe der Wohnung besitzt keinen Einfluss auf Eintritt und Höhe des Schadens (Schadenwahrscheinlichkeit), und zwar auch nicht bei vereinbartem Unterversicherungsverzicht. Falsche Angaben in Bezug auf die Wohnfläche konnten deshalb einen Rücktritt des Versicherers von der Hausratversicherung insgesamt nicht begründen, wohl aber von einem vereinbarten Unterversicherungsverzicht bzw. dazu führen, dass dieser gegenstandslos wird.

 

Rz. 182

Der Rücktritt war und ist bei mangelndem Verschulden des Anzeigepflichtigen, sofern noch die frühere Gesetzeslage gilt, ausgeschlossen. Dieser ist entschuldigt, wenn er unklare Fragen falsch verstanden hat. Bei fehlerhaften Erläuterungen der Frage durch den Agenten fehlt es bei darauf beruhenden Falschangaben bereits objektiv an einer Anzeigepflichtverletzung. Ein Ausländer muss sich gegebenenfalls die Fragen übersetzen lassen.[195]

 

Rz. 183

Bleiben Antragsfragen offen, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob dies als Verneinung der Frage, etwa bei der Frage nach Vorversicherungen oder Vorschäden, anzusehen ist. Gegebenenfalls besteht eine Rückfrageobliegenheit des Versicherers. Sind die von dem Antragsteller im Versicherungsantrag gemachten Angaben erkennbar falsch, unvollständig, unklar oder widersprüchlich und lassen sie deshalb eine sachgerechte Risikoprüfung nicht zu, ist der Versicherer zu Nachfragen verpflichtet. Voraussetzung ist allerdings immer, dass sich dem Versicherer die Nachfrage aufdrängen muss. Ist das der Fall und fragt er gleichwohl nicht zurück, kann sich der Versicherer später nicht auf ein Rücktritts- oder Anfechtungsrecht berufen, wenn er durch die gebotene Rückfrage bereits vor Vertragsabschluss die Tatsachen erfahren hätte, aus denen er sein Recht zur Loslösung vom Vertrag herleitet; das gilt lediglich bei Arglist des Versicherungsnehmers nicht.[196]

 

Rz. 184

Der Fragenkatalog des Versicherers trägt die Vermutung der Vollständigkeit in sich. Auf Gefahrumstände, die bei Antragstellung zwar vorlagen, nach denen der Versicherer aber nicht gefragt hat, kann ein Rücktritt deshalb nur im Falle arglistigen Verschweigens gestützt werden.

 

Rz. 185

Das Rücktrittsrecht kann nur innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung von dem Rücktrittsgrund ausgeübt werden (§ 21 Abs. 4 VVG), wobei Kenntniserlangung "zuverlässige Kunde" bede...

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