A. Vorbemerkung
I. Rechtsnatur des Hausrat-Versicherungsvertrages
Rz. 1
Knapp 80 % aller privaten Haushalte in der Bundesrepublik verfügen über eine Hausratversicherung. Die Hausratversicherung ist eine typische Massensparte und gehört zu den am häufigsten und von allen Kreisen der Bevölkerung abgeschlossenen Versicherungen ("Jedermann-Versicherung"). Sie bietet in einem rechtlich einheitlichen Vertrag kombinierten Versicherungsschutz gegen unterschiedliche Gefahren (deshalb früher "verbundene", d.h. kombinierte Hausratversicherung). Versichert wird der Hausrat privater Haushalte in deren Wohnungen. Sachen, die gewerblichen Zwecken dienen, unterfallen – von bestimmten Arbeitsmitteln abgesehen – nicht dem Versicherungsschutz. Auch Schäden an Gebäuden oder Gebäudeteilen werden grundsätzlich nicht erfasst.
Im gewerblichen Bereich erfolgt die Absicherung gegen die Risiken Feuer, Einbruchdiebstahl, Leitungswasser bzw. Sturm typischerweise in getrennten Versicherungsverträgen. Selbst wenn der gewünschte Versicherungsschutz in einer einzelnen Police zusammengefasst ist, liegen den Vertragsteilen regelmäßig unterschiedliche Versicherungsbedingungen (die AFB, AERB, AWB oder AstB) zugrunde. Diesen gegenüber weist die Hausratversicherung spezifische, auf den Versicherungsbedarf privater Haushalte abgestellte Erweiterungen des Deckungsumfangs auf. Auch die Prämie wird anders als in den genannten Sparten ermittelt. Hausrat durfte deshalb bis zur Deregulierung des Versicherungsmarktes auf Anordnung des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen (BAV) nur nach den Allgemeinen Hausratsversicherungsbedingungen (VHB) versichert werden; umgekehrt war es aufsichtsrechtlich untersagt, die VHB der Versicherung anderer Gegenstände gegen die genannten Gefahren zugrunde zu legen.
Rz. 2
Hausratversicherungen gehören zu den gebäudegebundenen Sachversicherungen. Wie jeder derartige Vertrag beinhaltet die Hausratversicherung trotz der Deckungserweiterungen, die gegenüber gebräuchlichen Einzelrisikoverträgen im gewerblichen Bereich bestehen, keine Allgefahrendeckung. Deshalb enthalten alle Verträge sowohl Risikobegrenzungen als auch Obliegenheiten, die der Versicherungsnehmer zu beachten hat, wenn er seinen Versicherungsschutz nicht gefährden will.
II. Bedingungsfassung der VHB
Rz. 3
Versicherungsbedingungen wie die für die Hausratversicherung maßgeblichen Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen (VHB) mussten und müssen dem jeweils geltenden Recht (und weitgehend auch) dem Stand der Rechtsprechung entsprechen. Die VHB haben deshalb immer wieder erhebliche Veränderungen erfahren.
Die heutigen Fassungen gehen auf die noch aufsichtsamtlich genehmigten VHB von 1942, 1966, 1974, 1984 und 1992 zurück. Seit dem Wegfall der Vorabgenehmigungspflicht von Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen aufgrund der Dritten Richtlinie Leben im Jahre 1994 (Deregulierung) steht den Versicherungsgesellschaften die Formulierung ihrer AVB weitgehend frei. Die letzte, eine wesentliche Umgestaltung enthaltende Fassung der VHB unter dem bisherigen Versicherungsvertragsrecht sind die VHB 92 und 2000, die der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) als Verbandsempfehlung formuliert hat. Sie sind für die Versicherungsunternehmen nicht verbindlich. Jeder Versicherer ist seit der Deregulierung berechtigt, den Deckungsumfang und die Voraussetzungen des Versicherungsschutzes bestimmter Risiken eigenständig zu formulieren. Aus Gründen des Wettbewerbs haben die Versicherer dieses Recht in erheblichem Umfange genutzt. Grundsätzliche Unterschiede im Deckungsumfang gab und gibt es im Rahmen der Grunddeckung aber nicht.
Am gebräuchlichsten sind heute Verträge, die eine Grunddeckung mit der Möglichkeit der Erweiterung des Versicherungsschutzes durch Sonderklauseln bieten. Zum Teil wird der erweiterte Versicherungsschutz aber auch unter eigenen Produktbezeichnungen wie etwa "Komfortschutz" oder "All Risk für Hausrat" angeboten.
Daran hat auch das VVG 2008 mit seinem weitgehenden Paradigmenwechsel nichts geändert. Die an das neue Recht angepassten VHB – aktuell ist die Fassung 2022 (Stand Nov. 2023) – sind ebenso wenig für die dem GDV angeschlossenen Hausratversicherer verbindlich, wie es die seit der Deregulierung veröffentlichten Vorgängerversionen waren.
Die vom GDV vorgeschlagenen VHB 2022 gibt es in zwei unterschiedlichen Fassungen. Sie unterscheiden sich nach der Berechnung der Versicherungssumme...