Rz. 1
Die Digitalisierung von Wirtschaft und Arbeitswelt bietet Unternehmen und Arbeitnehmern zahlreiche Chancen. Unternehmen können mit der Digitalisierung und Vernetzung von Kommunikation, Einkaufs-, Produktions- und Vertriebsschritten die Abläufe im Betrieb produktiver und effizienter gestalten. Außerdem haben Unternehmen einfacheren und direkteren Zugang zu internationalen Märkten. Gleichzeitig ermöglichen moderne Kommunikationsmittel orts- und zeitflexibles Arbeiten, was eine neue Arbeitszeitorganisation zulässt. Das wird den Bedürfnissen von Betrieben und Beschäftigten bei der Gestaltung flexibler Arbeitszeiten entgegenkommen. Beschäftigte erhalten dadurch mehr Souveränität, um Beruf und Privatleben optimal zu vereinbaren.
Das digitale Arbeiten eröffnet Unternehmen und Arbeitnehmern viele Möglichkeiten, begegnet aber nach wie vor arbeitsrechtlichen Grenzen. Dies gilt insbesondere auch für das Arbeitszeitrecht. Unternehmen und Beschäftigte stoßen daher bei der Anwendung des ArbZG auf eine Reihe von Problemen, die nur durch eine gezielte Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen gelöst werden können.
Der Gesetzgeber hat seinerseits zwar erkannt, dass Handlungsbedarf besteht. Dieser Befund spiegelt sich auch im Weißbuch "Arbeiten 4.0" wieder, das das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach einem langwierigen "Dialogprozess" mit Vertretern der Sozialpartner, der Verbände und Experten aus Wissenschaft und Betrieben im November 2016 vorgelegt hatte. Der Diskussion um zeit- und ortsflexibles Arbeiten "jenseits der Präsenzkultur" wird im Weißbuch "Arbeiten 4.0" breiter Raum eingeräumt.
Rz. 2
Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode hatte zwar die Chancen der Digitalisierung in den Blick genommen. Die für das Arbeitszeitrecht konkret vorgesehenen Maßnahmen waren jedoch spärlich. Über eine Tariföffnungsklausel im ArbZG sollten "Experimentierräume" für tarifgebundene Unternehmen geschaffen werden, um eine Öffnung für mehr selbstbestimmte Arbeitszeit der Arbeitnehmer und mehr betriebliche Flexibilität in der zunehmend digitalen Arbeitswelt zu erproben. Auf Grundlage dieser Tarifverträge sollte mittels Betriebsvereinbarungen insbesondere die Höchstarbeitszeit wöchentlich flexibler geregelt werden können. Selbst diesen Minimalfortschritt im Arbeitszeitrecht hat der Gesetzgeber jedoch letztlich nicht umgesetzt.
Die betriebliche Praxis muss daher versuchen, trotz des engen gesetzlichen Korsetts die Möglichkeiten des geltenden Rechtsrahmens bestmöglich auszuschöpfen. Dabei sind neben dem ArbZG auch weitere Instrumente in Betracht zu ziehen, um die Arbeitszeitgestaltung an die Herausforderungen der Digitalisierung anzupassen.