Rz. 76
Das Lesen und Bearbeiten dienstlicher E-Mails oder die Anfertigung dienstlicher Dokumente und Präsentationen abends, am Wochenende oder im Zug auf einer Dienstreise ist als Arbeit zu qualifizieren. Dabei ist es unerheblich, wie lange diese Tätigkeit in Anspruch nimmt – und seien es auch nur fünf Minuten – oder wie intensiv die Tätigkeit ist. Es spielt auch keine Rolle, ob der Arbeitnehmer diese Aufgaben im Homeoffice oder Mobile Office ausführt. Die Einordnung einer Tätigkeit als Arbeit hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber weiß, an welchem Ort sich der Arbeitnehmer gerade aufhält.
Rz. 77
Praxistipp
Nicht zur Arbeit zählen Tätigkeiten im eigenen Interesse (z.B. das wiederholte Aufrufen dienstlicher E-Mails zum Zeitvertreib oder der Austausch von firmenbezogenen Informationen über eine private WhatsApp-Gruppe zwischen Kollegen).
Rz. 78
Allerdings ist es im Schrifttum umstritten, ob es darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer die Tätigkeiten "freiwillig" ausübt.
Rz. 79
Ein Teil des Schrifttums will "freiwillige" Aktivitäten des Arbeitnehmers von vornherein aus dem Begriff der Arbeitszeit ausschließen und damit für arbeitszeitrechtlich irrelevant erklären. Danach soll Arbeit nur dann vorliegen, wenn eine Tätigkeit vom Arbeitgeber ausdrücklich oder zumindest konkludent angeordnet worden ist.
Rz. 80
Andere Stimmen wollen es genügen lassen, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsergebnis annimmt und damit die Tätigkeit des Arbeitnehmers genehmigt.
Rz. 81
Demgegenüber wird vertreten, dass jede Tätigkeit des Arbeitnehmers im dienstlichen Interesse als Arbeitszeit zu werten sei. Der Arbeitgeber solle wegen Nichteinhaltung des Arbeitszeitrechts aber nur dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn er wusste oder wissen konnte, dass der Arbeitnehmer etwa während der Ruhezeiten oder am Sonntag arbeitet. Auf diese Weise stehe grundsätzlich von Anfang an fest, ob eine Tätigkeit als Arbeitszeit zu qualifizieren sei, während ein Abstellen auf eine nachträgliche Genehmigung seitens des Arbeitgebers die für das Eingreifen des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitregimes wichtige Frage zunächst in der Schwebe halten würde. Der Arbeitgeber werde hierdurch auch nicht unbillig belastet, da er es in der Hand habe, eine Zurechnung von "Freizeittätigkeiten" des Arbeitnehmers zu verhindern, indem er diese ausdrücklich untersagt und auch nicht duldet.
Rz. 82
Praxistipp
Angesichts einer fehlenden ausdrücklichen Regelung im ArbZG kann es sich im Einzelfall anbieten, eine Regelung zu erlassen, wonach der Arbeitgeber jegliche Tätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit untersagt. Dies muss individualvertraglich oder per Betriebsvereinbarung geregelt werden. In diesem Fall darf der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung dem Arbeitgeber nicht aufdrängen. Sie ist dem Arbeitgeber dann auch arbeitszeitrechtlich nicht zuzurechnen.