Rz. 85
Arbeitnehmer können verpflichtet werden, auch außerhalb der Dienstzeiten für den Vorgesetzten, für Kollegen oder für Kunden per Mobiltelefon oder E-Mail erreichbar zu sein. Der Arbeitgeber kann insbesondere bei variablen Arbeitszeitmodellen, bei denen die Arbeitsvertragsparteien über eine große Flexibilität bei der Lage der Arbeitszeit verfügen, die Arbeitnehmer anweisen, am Wochenende oder nach Büroschluss über ihr Smartphone oder Tablet erreichbar zu sein und/oder eingehende E-Mails zu lesen und zu beantworten.
Rz. 86
Praxistipp
Um Streitigkeiten zwischen den Arbeitsvertragsparteien von vornherein zu vermeiden, ist es empfehlenswert, im Arbeitsvertrag bereits ausdrücklich festzulegen, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich am Wochenende über sein Smartphone oder Tablet für den Arbeitgeber verfügbar zu halten, wenn dieser eine entsprechende Anweisung trifft.
Rz. 87
Wenn der Arbeitnehmer gelegentlich von zu Hause aus dienstliche E-Mails bearbeitet oder Telefonate führt, ist diese Situation mit der Rufbereitschaft vergleichbar. Im Gegensatz zur Rufbereitschaft, bei der der Arbeitnehmer unverzüglich tätig werden muss und zumeist seinen Arbeitsplatz aufsuchen muss (vgl. Rdn 75), entscheidet der Arbeitnehmer nach der Kontaktierung per E-Mail oder auch per Handy im Allgemeinen selbst darüber, wann er innerhalb eines bestimmten Zeitraums tätig wird. Der Arbeitnehmer braucht im Gegensatz zur Rufbereitschaft auch nicht am Arbeitsplatz zu erscheinen.
Rz. 88
Nicht die Erreichbarkeit, sondern nur die tatsächliche Arbeit beschränkt im Fall der faktisch erwarteten Erreichbarkeit die Freizeitgestaltung des Arbeitnehmers. Deshalb ist auch nur die tatsächliche Arbeitsleistung als Arbeitszeit zu berücksichtigen.
Rz. 89
Hinweis
Bei jeder Beanspruchung während der arbeitsfreien Zeit wandelt sich die Rufbereitschaft von einer arbeitsfreien Zeit in Arbeitszeit um. Die Folge ist streng genommen: Nach einem Kundengespräch per Smartphone von zu Hause aus um 22 Uhr muss der Arbeitnehmer eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden einhalten (vgl. Rdn 43 ff., 47). Am nächsten Tag darf der Dienstantritt also nicht vor neun Uhr erfolgen.
Rz. 90
Eine solche "ständige Bereitschaft" im Allgemeinen kann nicht als Arbeitszeit eingeordnet werden. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer im unmittelbaren Anschluss an den Anruf eine Tätigkeit aufnimmt, also etwa ein Gespräch führt oder eine E-Mail bearbeitet. Eine solche Belastung ist grundsätzlich nicht höher, als wenn sich der Beschäftigte wie in den Fällen der klassischen Rufbereitschaft zunächst zur Betriebsstätte begeben muss, um dort seine Arbeit aufzunehmen, weil er sich zwar innerlich auf die Tätigkeit vorbereiten kann, dafür aber normalerweise deutlich länger und zumeist auch intensiver aus seinen sonstigen Aktivitäten herausgerissen wird.
Rz. 91
Rufbereitschaft liegt dementsprechend erst recht vor, wenn der Arbeitnehmer in seiner Freizeit nach Vorgabe des Arbeitgebers erreichbar sein muss.
Rz. 92
Eine an sich als Rufbereitschaft einzuordnende "ständige Erreichbarkeit" kann sich dadurch zum Bereitschaftsdienst verdichten, dass der Beschäftigte andauernd kontaktiert wird, und er sich deshalb auch in seinem häuslichen Umfeld praktisch kaum anderen Aufgaben zuwenden kann.
Rz. 93
Hinweis
In der digitalen Arbeitswelt wird es auch vermehrt möglich sein, dass ein Arbeitnehmer einen Arbeitsprozess im Betrieb von zu Hause aus überwacht und lediglich korrigierend eingreift, sofern eine Störung auftritt. In diesem Fall wird der Arbeitsplatz praktisch räumlich aus dem Betrieb ausgelagert, indem etwa durch Remote Control ein Produktionsprozess laufend kontrolliert und bei Störungen durch Fernwartung eingegriffen wird. Diese Form der Tätigkeit wird als Arbeitsbereitschaft zu qualifizieren sein.