Rz. 42
Die Vorgaben des ArbZG zu Ruhezeiten, die auf den Vorgaben der EU-Arbeitszeitrichtlinie beruhen, sind mit der Arbeitswelt 4.0 schwer in Einklang zu bringen. Es verwundert daher nicht, dass zu diesem Punkt der Ruf nach einer Novellierung des ArbZG besonders laut ist.
1. Grundsätze
Rz. 43
Gem. § 5 Abs. 1 ArbZG müssen die Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben.
a) Lage
Rz. 44
Die Ruhezeit ist nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit zu gewähren. Tägliche Arbeitszeit ist die werktägliche Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers i.S.d. § 3 ArbZG und nicht die Arbeit eines Kalendertages. Es ist nicht erforderlich, dass die Ruhezeit noch am jeweiligen Werktag zu gewähren ist.
b) Dauer
Rz. 45
Die Mindestruhezeit muss grundsätzlich elf Stunden betragen. Die Ruhezeit beginnt mit dem Ende der Arbeitszeit des einen Werktags und endet mit dem Beginn der Arbeitszeit des nächsten Werktags.
Rz. 46
Die Ruhezeit muss ununterbrochen, d.h. in einem Stück gewährt werden. Eine Aufteilung in mehrere kleinere Zeitabschnitte ist nicht zulässig, selbst wenn diese in der Summe elf oder mehr Stunden betragen. Nur so ist der Zweck der Ruhezeit gewährleistet, den Arbeitnehmer vor einer gesundheitlichen Schädigung durch Überanstrengung zu bewahren und ihm durch gründliches Ausruhen, vor allem Schlaf, die Möglichkeit der Erholung und der Erhaltung seiner Arbeitskraft zu geben.
Rz. 47
Wird die Ruhezeit vor Vollendung der elften Stunde durch Arbeitsleistung unterbrochen, muss dem Arbeitnehmer im Anschluss an diese Unterbrechung eine neue ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden gewährt werden. Dies gilt grundsätzlich für jede Unterbrechung, egal aus welchen Gründen sie erfolgt, ob planmäßig oder überraschend, und wie lange diese dauert.
Rz. 48
Setzt die Unterbrechung der Ruhezeit den Lauf einer erneuten Mindestruhezeit nach § 5 ArbZG in Gang, kann dies zur Konsequenz haben, dass der Arbeitnehmer die nachfolgende reguläre Arbeit nicht rechtzeitig oder gar nicht antreten kann.
c) Sanktionen
Rz. 49
Ein Arbeitgeber, der vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 5 Abs. 1 ArbZG die Mindestruhezeit nicht gewährt, handelt gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG ordnungswidrig.
Handelt der Arbeitgeber vorsätzlich und gefährdet er dadurch Gesundheit und Arbeitskraft des Arbeitnehmers, oder verstößt er beharrlich gegen § 22 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG, kann er gemäß § 23 Abs. 1 ArbZG mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft werden.
2. Auswirkungen der Ruhezeitenregelungen auf Arbeiten 4.0
Rz. 50
Die Vorgabe der ununterbrochenen Ruhezeit von elf Stunden ist mit der Arbeitswirklichkeit in der Arbeitswelt 4.0 nur schwer kompatibel. Daraus folgt z.B., dass ein Arbeitnehmer, der abends von zu Hause an einer Telefonkonferenz mit einem Konzernteil in einer anderen Zeitzone teilnimmt, am nächsten Morgen ohne Verstoß gegen das ArbZG nicht wieder zur gewohnten Zeit die Arbeit aufnehmen kann. Gleiches gilt für einen Arbeitnehmer, der das Büro am frühen Nachmittag verlässt, um kurzfristig die Betreuung seines Kindes zu übernehmen und abends von zu Hause aus noch einmal arbeitet, indem er ein Dokument fertigstellt oder E-Mails bearbeitet.
Rz. 51
Aus diesem Grund plädieren zahlreiche Stimmen in der Literatur für eine teleologische Reduktion von § 5 ArbZG, wonach "geringfügige" Unterbrechungen ("Bagatellunterbrechungen") der Ruhezeit unschädlich sein sollen. Dies setzt wiederum auch eine teleologische Reduktion von Art. 5 Abs. 1 EU-Arbeitszeitrichtlinie voraus. Die Befürworter dieser Lösung argumentieren, der Erholungszweck der Ruhezeit werde durch kurzfristige Arbeitsleistung nicht ernstlich gefährdet. Zudem seien die Arbeitnehmer bei selbst gestalteter Arbeitszeit weniger schutzbedürftig.
Rz. 52
Es wird deshalb vorgeschlagen, dass der Grundsatz, wonach jede Unterbrechung der Ruhezeit zu einer erneuten ununterbrochenen Ruhezeit von mindestens elf Stunden führt, einer Einschränkung bedürfe. Zweck der Ruhezeit sei es insbesondere, den Arbeitnehmer vor gesundheitlichen Schäden durch Überanstrengung zu bewahren und ihm durch gründliches Ausruhen die Möglichkeit zur Erholung und Erhaltung seiner Arbeitskraft zu geben. Bei "geringfügigen" Unterbrechungen ("Bagatellunterbrechungen") der Ruhezeit oder bei Unterbrechungen, die den Arbeitnehme...