Rz. 111
OLG Hamm
Auch bei einer Reflexhandlung des Fahrers kann ein Aufwendungsersatz wegen Abwendung eines Wildunfalls bestehen. Die Fahrerin durfte ohne grobe Fahrlässigkeit ein Ausweichmanöver als zweckdienlich ansehen, um eine Kollision mit dem Reh zu vermeiden. Angesichts der Masse eines Pkw und der erheblichen Risiken bei einem Abkommen von der Straße kann sich ein Ausweichmanöver bei einem drohenden Zusammenstoß zwar dann als grob fahrlässig darstellen, wenn es sich um ein Kleintier handelt. Etwas anderes gilt jedoch bei einem größeren Wildtier.
Rz. 112
OLG Saarbrücken
Der Versicherer kann im Rahmen der Teilkaskoversicherung den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Rettungskostenersatz gem. § 83 VVG i.V.m. § 90 VVG um 50 % kürzen, wenn dieser nachts auf der Autobahn einen Zusammenstoß mit einem Tier hatte, dessen Größe aber nicht belegen kann. Bei größeren Tieren ist das Ausweichmanöver bereits objektiv erforderlich, um die Beschädigung am Fahrzeug abzuwenden. Bei kleineren Tieren hingegen ist die Gefahr für das Fahrzeug durch einen bevorstehenden Zusammenstoß so gering, dass das hohe Risiko eines ungleich größeren Schadens durch eine plötzliche Fahrtrichtungsänderung nicht in Kauf genommen werden darf.
Rz. 113
LG Trier
Im Rahmen der Kaskoversicherung ist der Aufwendungsersatzanspruch gem. § 90 VVG um 60 % zu kürzen, wenn der Fahrer auf einer Landstraße in einer Rechtskurve einem kleinen Haarwild, wie etwa einem Fuchs, ausweicht. Diese plötzliche Fahrtrichtungsänderung ist unter diesen Umständen weder erforderlich noch geboten. Da sich der Fahrer allerdings in einer Rechtskurve und somit in einer erhöhten Konzentrationssituation befand und weil aufgrund fehlender Beschilderung der Wildwechsel überraschend war, ist die Leistung nur um 60 % zu kürzen. Wenn die Kl. mit ihrem Mittelklassewagen den Fuchs mit der geschilderten Geschwindigkeit von 70 bis 80 km/h überfahren hätte, wären lediglich Sachschäden in geringer Höhe entstanden.
Rz. 114
AG Lörrach
Weicht ein Fahrzeugführer ruckartig nach links aus, um nicht mit einem von rechts plötzlich kommenden Reh zu kollidieren, und kommt beim Schleudervorgang mit seinem Fahrzeug zu Schaden, hat er gegen die Kaskoversicherung einen Anspruch auf Erstattung der ihm entstehenden Kosten aus dem Gesichtspunkt der Rettungskosten. Ein Zusammenstoß mit dem Reh ist nicht erforderlich (§§ 83, 90 VVG). Voraussetzung eines Anspruchs auf Ersatz sogenannter "Rettungskosten" für die Vermeidung eines Wildunfalls ist, dass der Versicherungsnehmer darlegen und beweisen muss, dass ein Zusammenstoß mit Wild unmittelbar bevorstand. Der Versicherungsfall müsste dabei ohne die Rettungshandlung in kurzer Zeit und mit hoher Wahrscheinlichkeit eingetreten sein.