Rz. 129
BGH
Kommt der Versicherungsnehmer, der sich nach einem Verkehrsunfall erlaubt vom Unfallort entfernt hat, seiner Pflicht zur unverzüglichen Ermöglichung nachträglicher Feststellungen nicht rechtzeitig nach, informiert er jedoch stattdessen seinen Versicherer zu einem Zeitpunkt, zu dem er durch Mitteilung an den Geschädigten eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 1 StGB noch hätte abwehren können, begründet allein die unterlassene Erfüllung der Pflicht nach § 142 Abs. 1 StGB keine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit. der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit der VN nachweist, dass die Pflichtverletzung weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich war.
Rz. 130
OLG Hamm
Im Einzelfall kann feststehen, dass ein Entfernen vom Unfallort weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich ist. Hiervon ist auszugehen, wenn der Versicherungsnehmer den Kausalitätsbeweis geführt hat und der Versicherer Arglist nicht beweisen kann. Der Versicherer ist zur Leistung verpflichtet, soweit der VN nachweist, dass die Pflichtverletzung weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich war.
Rz. 131
OLG Hamm
Es spricht viel dafür, dass die Obliegenheiten nach AKB 2008 E 1.3 hinsichtlich des Entfernens vom Unfallort nicht über die Pflicht aus § 142 StGB hinausgeht. Insbesondere spricht viel dafür, dass diese Obliegenheit am Unfallort nur ein passives Warten gebietet und kein aktives Benachrichtigen des Geschädigten oder der Polizei. Die Klausel verlangt nur, die erforderlichen Feststellungen "zu ermöglichen". Ist kein relevanter Fremdschaden im Sinne des § 142 StGB am Unfallort zu verzeichnen, liegt kein Vorsatz oder auch keine grobe Fahrlässigkeit vor hinsichtlich des Entfernens vom Unfallort, wenn der Versicherungsnehmer nach Beendigung der Fahrt sofort seinen Versicherer benachrichtigt. Unter diesen Umständen besteht eine Leistungspflicht des Versicherers.
Rz. 132
OLG Düsseldorf
Der Kaskoversicherer kann wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung leistungsfrei sein, wenn der Fahrer eines Fahrzeugs nicht zumindest zehn Minuten, nachdem er abends auf regennasser Fahrbahn ins Schleudern gekommen ist, gegen eine Warnbake auf der Fahrbahnseite gestoßen und diese beschädigt hat, wartet. Eine Wartepflicht besteht aufgrund des Schutzzwecks von § 142 StGB von vornherein dann nicht, wenn lediglich ein völlig belangloser Schaden vorliegt; dies ist dann der Fall, wenn Schadensersatzansprüche üblicherweise nicht gestellt werden. Maßgebend ist der objektive Verkehrswert nach dem Eindruck zur Tatzeit unter Berücksichtigung gewöhnlicher Reparaturkosten. Der Senat verkennt nicht, dass der entstandene Schaden nicht besonders groß gewesen ist. Dies hat, da die Grenze eines völlig belanglosen Schadens überschritten wurde, jedoch lediglich Auswirkungen auf den Umfang der Wartepflicht.
Rz. 133
OLG Naumburg
Verlässt der Versicherungsnehmer entgegen seiner Aufklärungsobliegenheit unerlaubt den Unfallort, entstehen hieraus regelmäßig konkrete Feststellungsnachteile für den Versicherer, die einen Kausalitätsgegennachweis aus § 28 Abs. 3 S. 1 VVG unmöglich machen und damit entsprechend § 28 Abs. 2 S. 1 VVG zum Verlust des Vollkaskoschutzes führen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn keine Feststellungen mehr möglich waren zu einer möglichen Alkoholisierung oder Drogenbeeinträchtigung, die gegebenenfalls aufgrund des entsprechenden Verbots der AKB zum Wegfall des Versicherungsschutzes oder zu einer Leistungskürzung hätten führen können.
Rz. 134
OLG Stuttgart
Nicht jedes unerlaubte Entfernen vom Unfallort kann pauschal als arglistig im Sinne der versicherungsrechtlichen Regelungen zur Obliegenheitsverletzung angesehen werden. Für die Beurteilung sind stets die Umstände des Einzelfalls entscheidend. Die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit in der Kaskoversicherung führt nicht zwangsläufig zu einer gänzlichen Leistungsfreiheit des Versicherers, sondern nur in dem Umfang, wie eine Ursächlichkeit anzunehmen ist bzw. ein Kausalitätsgegenbeweis nicht erbracht werden kann. Eine arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt und weiß, dass sein Verhalten die Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann. Dabei kommt es für die Beurteilung des Handelns des Versicherungsnehmers allein auf den Zeitpunkt an, in dem dieser die Obliegenheit verletzt, hier also die Zeit, zu der der Kl. seiner Pflicht aus § 142 StGB noch hätte nachkommen können. Im vorliegenden Fall war der Fahrzeugführer noch eine gewisse Zeit am Unfallort verblieben und hatte dort darauf gewartet abgeholt zu werden. Damit ist er das R...