I. Punkteabbau im Gesetzgebungsverfahren

 

Rz. 70

Erst spät in das Gesetzgebungsverfahren hat sich eine Punktabbauregelung eingefunden: Man darf davon ausgehen, dass die damalige FDP-Fraktion ihre Zustimmung zum Gesetzesvorhaben hiervon abhängig gemacht haben dürfte. Es soll entgegen der ursprünglichen Planung nun ein Abbau von einem Punkt ermöglicht werden, allerdings nur einmalig innerhalb von fünf Jahren bei einem Punktestand bis zu fünf Punkten. Zugleich kann ein Kraftfahrer freiwillig den Kurs besuchen, sofern er zwischen sechs bis sieben Punkten liegt. Gedacht ist dabei an Vielfahrer, die keinen Nachteil erleiden sollen und denen eine "Umkehr" ihres bisherigen Verkehrsverhaltens ermöglicht wird. Ursprünglich hatte die Diskussion einen Punkteabbau von zwei Punkten ermöglichen wollen; der Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag aber hat sich für die Variante entschieden, dass lediglich ein Punkt abgebaut werden kann. Hierbei ist sicherlich zu berücksichtigen, dass im Regierungsentwurf zunächst überhaupt kein Punkteabbau vorgesehen war, allerdings von Seiten der Bürgerbeteiligung wie auch verschiedenen Fraktionen ein solcher in das Vorhaben Eingang finden sollte.

 

Rz. 71

Der Bundestag hatte deshalb einen neuen Abs. 7a dem Bundesrat zur Beratung überlassen, der jedoch dann im Vermittlungsausschuss keine Mehrheit mehr finden konnte:

Zitat

"(7a) Nehmen Inhaber einer Fahrerlaubnis freiwillig an einem Fahreignungsseminar teil und legen sie hierüber … innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Seminars eine Teilnahmebescheinigung vor, werden ihnen bei einem Punktestand von vier oder fünf Punkten zwei Punkte abgezogen. Der Besuch … führt jeweils nur einmal innerhalb von fünf Jahren zu einem Punkteabzug. Für den zu verringernden Punktestand und die Berechnung der Fünfjahresfrist ist jeweils das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich. Bei der Berechnung der Fünfjahresfrist sind auch nach Abs. 5 S. 1 Nr. 2 absolvierte Fahreignungsseminare zu berücksichtigen."

 

Rz. 72

Nunmehr lautet der entsprechende Passus in §4 Abs. 7 StVG:

Zitat

(7) Nehmen Inhaber einer Fahrerlaubnis freiwillig an einem Fahreignungsseminar teil und legen sie hierüber der nach Landesrecht zuständigen Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Seminars eine Teilnahmebescheinigung vor, wird ihnen bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten ein Punkt abgezogen; maßgeblich ist der Punktestand zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung. Der Besuch eines Fahreignungsseminars führt jeweils nur einmal innerhalb von fünf Jahren zu einem Punktabzug. Für den zu verringernden Punktestand und die Berechnung der Fünfjahresfrist ist jeweils das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich.

 

Rz. 73

Inzwischen spricht der Gesetzentwurf von Kosten gemittelt von wenigstens 645EUR für das Fahreignungsseminar, die dem bisherigen Aufwand von 245EUR gegenüberstehen, obwohl der zeitliche Aufwand für den Betroffenen fast drei Stunden weniger betragen soll.[62] In der Praxis werden verkehrspädagogische Maßnahmen von Fahrschulen für etwa 250EUR und das gesamte Fahreignungsseminar in Großstädten für etwa 400EUR angeboten, immer noch deutlich mehr als der Bürger zahlen will, wenn die Tauglichkeit ohnedies in Rede steht. Auch ist der hohe Preis Anstoß bei den Beratungen im Bundesrat gewesen und daher ebenfalls einer der Gründe, weshalb das Fahreignungsseminar evaluiert werden soll. Weitere Hürde für den Betroffenen ist der Umstand, dass der Nachweis des absolvierten Seminars innerhalb kurzer Frist vorliegen soll, um die weitere Fahreignung zu dokumentieren.

 

Anmerkung

Dass damit dem gesamten Vorhaben seine wissenschaftlichen Grundlage entzogen wird, scheint nicht aufgefallen zu sein; jedenfalls ist nunmehr eine Änderung für viel Geld auf den Weg gebracht worden, die man mit wesentlich weniger Aufwand durch die Änderung der Verjährungs- und Tilgungsfristen ebenso hätte herbeiführen können.

Daher muss die Frage erlaubt sein, weshalb angesichts der ursprünglichen Hypothesen das Vorhaben noch verfolgt wurde. Denn die neue Regelung ist auch nicht viel besser mit diesen in Übereinstimmung zu bringen:

Denn dass nun eben den "unbelehrbaren Wiederholungstätern" die neuen Maßnahmen (Verwarnung mit Anordnung des Fahreignungsseminars und Entziehung) ­ausgearbeitet wurden, scheint ein hoher Bogen zu sein, der geworfen werden muss. Ausschließlich die Verbesserung des Fahrverhaltens soll die Verstöße mithin verhindern.[63] Auch der sorgfältigste Kraftfahrer kann und wird aber Fehler machen, die sanktionswürdig sind, aber nicht sanktioniert werden. Hier verbleibt der Eindruck, das Kind sei mit dem Bade ausgeschüttet worden.

 

Rz. 74

Die Annahme, dass mit der Ausgestaltung des viel aktiveren Fahreignungsseminars eine echte Umkehr des Fahrerlaubnisinhabers bewirkt werden kann, ist insofern schwer nachvollziehbar, weil die Wirksamkeit der Seminare in den kommenden fünf Jahren erst einmal evaluiert werden soll. In §4b StVG heißt es zur Evaluierung, dass das Fahreignungsseminar, die ...

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