Rz. 95

§29 Abs. 4 StVG bestimmt den Beginn der Tilgungsfrist. Sie beginnt künftig einheitlich bei strafgerichtlichen Verurteilungen und Strafbefehlen (S. 1 Nr. 1), bei Entscheidungen der Gerichte nach den §§59, 60 StGB und §27 des Jugendgerichtsgesetzes (S. 1 Nr. 2), bei gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Bußgeldentscheidungen sowie anderen Verwaltungsentscheidungen (S. 1 Nr. 3) mit dem Tag der Rechtskraft.

 

Rz. 96

Die unterschiedliche Behandlung von Tilgungsfristen beispielsweise bei Strafurteilen und Strafbefehlen ist damit aufgehoben. So erfahren alle Betroffenen einen einheitlichen Beobachtungszeitraum ihres Verkehrsverhaltens, eine leichtere Berechnung ist möglich.

Das BZRG enthält Verwertungsverbote für Straftaten, u.a. ein Verwertungsverbot für bestimmte Verurteilungen nach fünfjähriger Tilgungsfrist in §51 Abs. 1 i.V.m. §46 Abs. 1 Nr. 1 BZRG.[80] Eine Ausnahme bildet §52 Abs. 2 S. 1 BZRG, der zum 5.12.2014 geändert[81] wie folgt ausführt:

 

§52 Abs. 2 S. 1 BZRG

Abweichend von §51 Absatz 1 darf eine frühere Tat ferner

1. in einem Verfahren, das die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat,
2. zur Ergreifung von Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem nach §4 Absatz 5 des Straßenverkehrsgesetzes

berücksichtigt werden, solange die Verurteilung nach den Vorschriften der §§28 bis 30b des Straßenverkehrsgesetzes verwertet werden darf.

In §29 Abs. 7 S. 2 StVG wurde ein weiterer Verwendungszweck ergänzt, der sich nun auch in §52 Abs. 2 S. 1 BZRG findet. Neben der Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis soll damit eine Verwertung auch für Zwecke des Fahreignungs-Bewertungssystems nach fünf Jahren möglich sein.[82]

 

Rz. 97

Der Ausstellungstag der Teilnahmebescheinigung bestimmt nach §29 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 StVG den Tilgungsfristbeginn für Fahreignungsseminare nach §4a StVG (und vorübergehend für die Aufbauseminare und die verkehrspsychologische Beratung nach §2a Abs. 2 StVG a.F.)

 

Rz. 98

Im Fahreignungsregister werden die rechtskräftig gewordenen Entscheidungen gespeichert und für die Berechnung herangezogen.[83] Die Eintragungen sind mit Tilgungsreife zu löschen, die ebenfalls definiert wird, wobei die Probezeit insoweit eine Ausnahme bildet.

 

Rz. 99

Für die Berechnung der Punkte ist der Zeitraum zugrunde zu legen, der mit der Begehung der Tat beginnt und erst mit der Löschung nach Ablauf der Tilgungsfrist endet.

Die Begehung der Tat ist der Ausgangspunkt für die Berechnung des Punktestandes. Das heißt konkret:

 
Punkte entstehen mit dem Tattag und sind für die Berechnung des Punktestandes so lange zugrunde zu legen, so lange die Tilgungsfrist für die betreffende Tat läuft. Die Tilgungsfristen beginnen mitRechtskraft der Entscheidung. An den Ablauf der Tilgungsfrist schließt sich eine einjährige Überliegefrist an.
 

Rz. 100

Das OVG Sachsen-Anhalt[84] hat eine Entscheidung getroffen, der zufolge nach Ablauf von fünf Jahren eine Eintragung in Verkehrszentralregister nicht mehr zur Anordnung eines Aufbauseminars verwertet werden kann. Hintergrund für diese Entscheidung war, dass gem. §29 Abs. 8 S. 1 StVG a.F. die Tat und die Entscheidung einem Betroffenen für die Zwecke der Beurteilung der Eignung und Befähigung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen (§28 Abs. 2 Nr. 1 StVG) nicht mehr vorgehalten werden dürfen und nicht zu seinem Nachteil verwendet werden, wenn eine Eintragung über eine gerichtliche Entscheidung im Verkehrszentralregister getilgt ist. Unterliegen diese Eintragungen – wie im entschiedenen Fall nach §29 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVG – einer zehnjährigen Tilgungsfrist, dürfen sie nach Ablauf eines Zeitraums, der einer fünfjährigen Tilgungsfrist entspricht, gemäß §29 Abs. 8 Satz 2 StVG nur noch für ein Verfahren übermittelt und verwendet werden, das die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat. Offenbar hat der Gesetzgeber diese Entscheidung vor Augen gehabt, denn die Verwertbarkeit ist nunmehr auch für das Ergreifen von Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem vorgesehen.

 

Rz. 101

Tilgungs- und Überliegefristen

 

Rz. 102

Es ist für den jeweiligen Verstoß seine jeweilige Tilgungsfrist zu berechnen. Das bedeutet, dass die Tilgung unabhängig davon erfolgt, ob weitere Verstöße vorliegen. Also ist ein entsprechender Punktestand immer taggenau zu ermitteln, auch bei Vorliegen mehrerer Verstöße.

 

Rz. 103

Jeweiliger Punktestand – Ein Berechnungsbeispiel

 

1. Verstoß

Tat am 1.1.2014

→ 1 Punkt am 18.6.2014 rechtskräftig eingetragen

2. Verstoß

Tat am 17.4.2014

→ 3 Punkte am 25.11.2015 rechtskräftig eingetragen

3. Verstoß

Tat am 29.2.2015

→ 1 Punkt am 17.4.2016 rechtskräftig eingetragen
Tilgungsfrist: bis 18.12.2016
Überliegefrist: bis 18.12.2017
Tilgungsfrist: bis 25.11.2025
Überliegefrist: bis 25.11.2026
Tilgungsfrist: bis 17.10.2018
Überliegefrist: bis 17.10.2019

1 Punkt vom 1.1.2014 bis 17.4.2014, ersichtlich ab 18.6.2014

(= Ausgangslage für 2. Verstoß)

4 Punkte vom 17.4.2014 bis 29.2.2015, ersichtlich am 25.11.2015

(= Ausgangslage für 3. Ve...

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