Rz. 124

§65 Nr. 4 StVG (siehe § 7 Rdn 13) regelt die Umstellung der Punktestände nach bisherigem Recht in die Maßnahmenstufen des neuen Fahreignungs-Bewertungssystems oder in die Vormerkung. Es wird also zunächst die Maßnahmestufe nach dem alten System anhand des Punktestandes festgestellt, und dann mittels der Überführungsstabelle in Punktestände nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem überführt.

 

Rz. 125

Der aufgrund der Überführung ermittelte neue Punktestand bildet nach Satz 2 die Grundlage für die Einstufung in die Vormerkung oder eine der Maßnahmenstufen des Fahreignungs-Bewertungssystems. Mit der Regelung wird sichergestellt, dass jeder, der sich im bisherigen dreistufigen Punktesystem in einer Maßnahmenstufe befunden hat, in die entsprechende Maßnahmenstufe des neuen ebenfalls dreistufigen Fahreignungs-Bewertungssystems überführt wird.[94]

 

Rz. 126

Bislang ungeklärt ist jedoch, wie es sich bei Punkteständen verhält, die eine Maßnahmestufe nach dem VZR begründen und vielleicht sogar bereits Konsequenzen – beispielsweise das Absolvieren von Aufbauseminaren – nach sich gezogen hat, die aber nach FaER gelöscht werden. Dann ist an sich die Maßnahmestufe zwar erreicht, eine Maßnahme aber nach dem FaER (noch) nicht gewünscht. Andererseits hat der Gesetzgeber festgelegt, dass die jeweilige Maßnahmestufe ohne vorherige Löschung der nicht sicherheitsrelevanten Einträge erfolgen soll. Das wiederum lässt vermuten, dass er sich bewusst entscheiden wollte, unabhängig von der Frage der Qualität der Verstöße die bislang erfolgten Maßnahmestufen jedenfalls nicht "verfallen" zu lassen. Denn die Folge wäre, dass viele Betroffene womöglich dann erst in der Vormerkung oder aber Ermahnung zu finden wären, wenn die nicht sicherheitsrelevanten Verstöße in Abzug gebracht worden wären. Einfach ausgedrückt: Auch wenn die Maßnahmestufe nach neuem Recht nicht erreicht worden wäre, ist das alte Recht insoweit für das Erreichen derselben maßgeblich.

 

Rz. 127

Die in §4 Abs. 5 S. 1 StVG (siehe § 7 Rdn 13) vorgesehenen Maßnahmen durch die Behörden ist dann auf der Grundlage des überführten Punktestandes vorzunehmen.

Das Niedersächsische OVG hat in seine Entscheidung am 20.7.2015 – 12 ME 78/15 hierzu wie folgt überschrieben: ""Anwendbarkeit neuen Rechts auf vor Inkrafttreten des neuen Rechts erwirtschaftete Punkte." "Es kommt dann wenig überraschend zu dem Ergebnis, dass der Anwendung der Übergangsregelung verzögerte Eintragung und insofern falsche Behandlung entgegengehalten werden könne:

Zitat

"Welche Umstände im Einzelnen dazu geführt haben, dass nach Eintritt der Rechtskraft (vor dem 30.4.2014) und dem Aktenrücklauf an die Bußgeldbehörde diese erst unter dem 2.5.2014 Mitteilung an das Kraftfahrt-Bundesamt gemacht hat, lässt sich den vorliegenden Verwaltungsvorgängen im Einzelnen nicht entnehmen. Die Bearbeitung kann sich bei den mit dem Vorgang befassten Stellen aus unterschiedlichen Gründen verzögert haben. Von der Bearbeitungsdauer hängt die Anwendung der Übergangsvorschrift nicht ab. Ob insofern ausnahmsweise Abweichendes gelten kann, wenn etwa einzelne Arbeitsschritte bewusst verzögert worden wären, kann hier dahinstehen. Jedenfalls sind für eine solche offensichtlich sachwidrige oder sonst in keiner Weise zu rechtfertigende Vorgehensweise konkrete Anhaltspunkte weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar." (Hervorhebung durch die Autorin)

Dass sich aber genau die durch den betroffenen Fahrerlaubnisinhaber dann willkürlich eintretende Folge zu dessen Lasten auswirkt und damit dem Gesetzeszweck einer größeren Gerechtigkeit entgegensteht, wird dann nicht weiter erörtert.[95]

 

Rz. 128

Satz 3 stellt abschließend klar, dass die Überführung und die dadurch ggf. erstmalige Einordnung in die neuen Maßnahmenstufen nicht zur Maßnahmenergreifung führen soll. Gedacht ist, dass nur eine – neue – Zuwiderhandlung und das hierauf folgende erstmalige Erreichen einer Maßnahmenstufe – nach altem wie nach neuem Recht – zu einer Maßnahme führt, was allerdings eine Einzelfallentscheidung der Behörde voraussetzt.

[94] Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze, BR-Drucks 799/12 v. 1.2.2013, S. 98 f.
[95] Von Kalus auch aufgrund der komplizierten Vermischung von Alt- und Neuregelung kritisiert, die zu einer oft zu langen Bearbeitungsdauer führe, Informationssystem mit Zufallsgenerator, VD 2015, 199 ff.; Kalus, Entbürokratisierung als Perspektive, VD 2015, 223.

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