Rz. 60

Voraussetzung des §41 Abs. 1 FeV (siehe § 7 Rdn 23) ist, dass die Ermahnung des Inhabers einer Fahrerlaubnis nach §4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 StVG, seine Verwarnung nach §4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 StVG und der jeweils gleichzeitige Hinweis auf die freiwillige Teilnahme an einem Fahreignungsseminar schriftlich unter Angabe der begangenen Verkehrszuwiderhandlungen erfolgen muss.

 

Hinweis

Die Frage darf also gestellt werden, was geschieht, wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Eine Verletzung der Formvorschriften kommt einer fehlenden rechtlichen Anhörung gleich, die zur Folge haben dürfte, dass die jeweils dann erreichte Maßnahmestufe noch nicht als erreicht betrachtet werden muss. Das würde bedeuten, dass im Rahmen des rechtlichen Gehörs der Betroffene umfassend über sein weiteres Verhalten belehrt werden muss, da ansonsten eine Maßnahme nach den neuen Bestimmungen nicht angewendet werden kann, da jede Maßnahmestufe erst durchlaufen sein muss, um die folgende Stufe zu erreichen.

 

Rz. 61

Dabei soll keine Maßnahmestufe "übersprungen" werden, denn die Hoffnung, auf das Verhalten des Betroffenen einzuwirken – gerade über die Fahreignungsseminare – ist bei dem Vorhaben im Zentrum der Überlegungen gewesen. Auch hielt man für ungerecht, dass ein Fahrerlaubnisinhaber bei tatmehrheitlich begangenen Verstößen auf ­einen Streich innerhalb von kurzer Zeit sonst seiner Fahrerlaubnis verlustig gehen müsste. Daraus folgt, dass nach Tilgung von tilgungsreif gewordenen Punkten dann auch die jeweiligen Maßnahmestufen erneut und wiederholt durchlaufen werden können bzw. müssen.[48]

Die Kategorien lauten daher: Vormerkung – Ermahnung – Verwarnung – Entzug. Bei den drei letztgenannten handelt es sich um die jeweils zu durchlaufenden Maßnahmestufen.

 
      3. Entzug
2. Verwarnung
1. Ermahnung
Vormerkung
 

Rz. 62

Dabei ist dann auch das Stufenverhältnis zu berücksichtigen, §4 Abs. 6 StVG. Wenn der Fahrerlaubnisinhaber 6 oder 8 Punkte erreichen sollte, ohne dass die Behörde die Maßnahme der Ermahnung nach §4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 ergriffen hat, verringert sich der Punktestand dann auf 5 Punkte bzw. falls keine Verwarnung nach Abs. 5 S. 1 Nr. 2 erfolgte, reduziert sich der Punktestand auf 7 Punkte. Spätere Verringerungen aufgrund von Tilgungen werden von dem sich nach Abs. 5 S. 2 oder 3 ergebenden Punktestand abgezogen. §4 Abs. 6 regelt also Folgendes:

 

§4 Abs. 6 StVG

Die nach Landesrecht zuständige Behörde darf eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 oder 3 erst ergreifen darf, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen. Im Fall des Satzes 2 verringert sich der Punktestand mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen

1. Ermahnung auf fünf Punkte,
2. Verwarnung auf sieben Punkte,

wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist. Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, erhöhen den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand. Späteren Tilgungen oder Punktabzügen wird der sich nach Anwendung der Sätze 3 und 4 ergebende Punktestand zugrunde gelegt.“

 

Rz. 63

 

Anmerkung

Ob das nun alles so durchdacht ist, fragt sich der Beobachter. Denn die Vergabe der Punkte führte erst bei 5 Verstößen, wenn jeweils 3 Punkte vergeben wurden, zu einer Maßnahme der zuständigen Behörden: Ist beispielsweise eine Geschwindigkeitsüberschreitung, die mit 3 Punkten bewehrt war, gegeben, konnte ein Betroffener erhebliche Verstöße begehen, bevor zu einer Maßnahme gegriffen wurde. Nach der jetzigen Bewertung sind es aber immerhin 6 oder sogar 7 Verstöße denkbar, bevor Maßnahmen greifen. Die hohe Anzahl macht bereits deutlich, dass diese Vielzahl an Verstößen doch eben gerade vermieden werden sollte, weil nach wissenschaftlicher Erkenntnis die Anzahl und nicht die Schwere der Verstöße für ein erhöhtes Unfallrisiko maßgeblich sind. Besonders bei Geschwindigkeitsüberschreitungen ist diese Konsequenz nachgerade kontraproduktiv.

Zudem ist zu kritisieren, dass die weniger erheblichen Verstöße, die nach alter Rechtslage mit 1 Punkt bewertet worden sind, nunmehr vergleichsweise scharf sanktioniert sind nach der Überführung einerseits und der neuen Gewichtung andererseits.

[48] Albrecht, Die Reform des Verkehrszentralregisters, DAR 2013, 443.

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