I. Ladung des Angeklagten (Betroffenen)
1. Ausländer
Rz. 16
Die Rechtsprechung, nach der mit dem Verweis darauf, dass eine in Deutsch verfasste Ladung an einen der deutschen Sprache nicht mächtigen Ausländer auch dann wirksam war, wenn keine Übersetzung beigefügt war (BGH NJW 1984, 2050; OLG Hamm JMBl NW 1980, 78), dürfte zwischenzeitlich durch die Entscheidung des EuGH zur Zustellung eines Strafbefehls (NZV 2017, 530) überholt sein.
2. Förmliche Ladung
Rz. 17
Der Angeklagte (Betroffene) muss grundsätzlich durch förmliche Zustellung geladen werden (zur Zustellung siehe § 4 Rdn 1 ff.). Die formlose Ladung genügt nur, wenn eine Ladungsfrist nicht eingehalten zu werden braucht, wie z.B. bei der Ladung zum Fortsetzungstermin einer lediglich unterbrochenen Hauptverhandlung (BGH NStZ 1988, 421; OLG Köln NStZ 1991, 92).
Rz. 18
Wird dagegen die Hauptverhandlung ausgesetzt oder ein anberaumter Termin aufgehoben, ist eine förmliche Ladung selbst dann zwingend vorgeschrieben, wenn der Angeklagte (Betroffene) zu dem früheren Termin ordnungsgemäß geladen worden war (BayObLG NJW 1978, 2406).
3. Ladung über den Verteidiger
Rz. 19
Im Gegensatz zu Zustellungen und Mitteilungen können dem Verteidiger Ladungen seines Mandanten nur dann wirksam zugestellt werden, wenn die Vollmacht dies ausdrücklich vorsieht (OLG Düsseldorf StV 1990, 536; BayObLG NZV 2004, 155).
Allerdings soll die Formulierung "mit ausdrücklicher Ermächtigung zur Empfangnahme von Ladungen nach § 145a Abs. 2 StPO" - ähnlich wie dies für die Rücknahme bzw. Beschränkung eines Rechtsmittels gilt (OLG Bamberg zfs 2018, 598) - deshalb nicht ausreichen, weil sie nicht eindeutig erkennen lässt, ob der Vollmachtgeber die Ermächtigung bereits erteilt hat (OLG Köln StV 1993, 402).
Rz. 20
Achtung
Das von der Hans Soldan GmbH vertriebene (umfassende) Vollmachtsformular lässt solche Ladungen zu.
Das kann für den Verteidiger dann problematisch werden, wenn das Gericht den Betroffenen nur deshalb über den Verteidiger lädt, weil dessen augenblickliche Adresse nicht bekannt ist. Dann ist der Betroffene (Angeklagte) nämlich ordnungsgemäß geladen und es droht die Verwerfung des Einspruches (bzw. der Berufung).
II. Ladung des Verteidigers
1. Förmliche Ladung
Rz. 21
Auch der Verteidiger ist durch förmliche Zustellung zu laden, § 218 StPO. Dies gilt selbst dann, wenn er sich erst so spät bestellt hat, dass zwar die Ladungsfrist nicht mehr eingehalten werden kann, eine förmliche Ladung jedoch zeitlich noch möglich ist (OLG Hamm MDR 1971, 320), oder auch dann, wenn er anderweitig von dem Termin Kenntnis hatte, z.B. durch seinen Mandanten (OLG Köln VRS 44, 110) oder durch Akteneinsicht (BGH NStZ 1985, 229).
Darauf, ob der Verteidiger eine schriftliche Vollmacht vorgelegt hat, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (OLG Bamberg zfs 2007, 232).
2. Folgen unterbliebener Ladung
Rz. 22
Das Unterlassen der Ladung des Verteidigers stellt sowohl in Bußgeldsachen (OLG Düsseldorf NZV 1994, 44; OLG Celle NZV 2012, 351) als auch in Strafsachen (BGHSt 36, 259; OLG München zfs 2005, 467) einen absoluten Revisionsgrund dar.
Außerdem kann der Einspruch des Betroffenen, dessen Verteidiger daraufhin nicht erscheint, nicht nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen werden (OLG Bamberg zfs 2007, 232).