Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 10
Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden als laufende Kosten der Grundsicherung bzw. Hilfe zum Lebensunterhalt als Bedarfe, die zum notwendigen Lebensunterhalt gehören, anerkannt. Aufwendungen für Unterkunft und Heizung werden "in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen" im Rahmen der gesetzlich vorgegeben Grenzen erbracht. Der berücksichtigungsfähige Bedarf umfasst sowohl die laufenden als auch die einmaligen Aufwendungen. Die Unterkunftskosten für Wohneigentum, das nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII Schonvermögen ist, gehören zu den Kosten der Unterkunft.
Rz. 11
Entscheidend für die Sinnhaftigkeit der Zuwendung einer Immobilie an einen Bedürftigen ist, ob der Zuwendungsempfänger als dauerhafter Grundsicherungs- oder Hilfe-zum-Lebensunterhalt-Bezieher in der Lage sein wird, mangels eigener bzw. geringer Einkünfte die laufenden Nebenkosten und Erhaltungsaufwendungen einer solchen Immobilie zu tragen.
Rz. 12
Anzuerkennen sind nur die angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Hierzu kann weitgehend auf die nachfolgenden Ausführungen zu § 22 SGB II Bezug genommen werden.
Was angemessen ist, wird für Mieter und Eigentümer einer Immobilie grundsätzlich nach einheitlichen Kriterien beantwortet. Für die Berechnung der Angemessenheit der Unterkunftskosten der Immobilie gelten die gleichen Wohnflächengrenzen wie bei gemietetem Wohnraum. Auch wenn die angemessene Wohnfläche nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII für eine Person bei 80 qm liegt und eine angemessene Wohnung für einen Sozialhilfeempfänger bei 45–50 qm, so bewirkt der Verwertungsschutz des § 12 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII keine Erhöhung des Flächenbedarfs und es sind nur die Kosten zu übernehmen, die für eine angemessene Mietwohnung übernommen würden.
Rz. 13
Bei der Prüfung der angemessenen Größe der konkret betroffenen Unterkunft sind individuelle Besonderheiten – wie z.B. bestehende Behinderungen – zusätzlich zu berücksichtigen. Ein erhöhter Unterkunftsbedarf kann z.B. aufgrund von Rollstuhlpflichtigkeit bestehen. Hierzu enthalten die Richtlinien der kommunalen Träger zu den angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung spezielle Vorschriften für Personen mit besonderen Bedarfen für Unterkunft und Heizung, etwa aufgrund von Alter, Pflegebedürftigkeit oder einer anerkannten Behinderung. "Sie sind im Rahmen der Bedarfsbemessung nach § 35 SGB XII bzw. § 22 SGB II zu berücksichtigen, und zwar in dem Sinne, dass im jeweiligen Einzelfall der tatsächlich bestehende höhere Bedarf als angemessen anzuerkennen und daher im Rahmen der Leistungen nach § 35 SGB XII bzw. § 22 SGB II zu übernehmen ist."
Rz. 14
Fallbeispiel 18: Ein gesichertes Dach über dem Kopf
A (45 Jahre alt) ist dauerhaft voll erwerbsgemindert und bezieht 250 EUR Erwerbsminderungsrente. Die Eltern wollen ihm "ein Dach über dem Kopf" sichern und deshalb eine Eigentumswohnung zuwenden. Was muss im Hinblick auf seinen Sozialhilfebedarf bedacht werden?
Falllösung Fallbeispiel 18:
Eine Immobilie, die man bereits vor dem Bezug von Sozialhilfeleistungen hat, ist sozialhilferechtlich Vermögen nach § 90 Abs. 1 SGB XII, wenn sie rechtlich und tatsächlich verwertbar ist.
Rz. 15
Hinweis
Davon abzugrenzen ist die Immobilie, die man im Bedarfszeitraum zugewendet bekommt. Sie ist nach § 82 SGB XII Geldeswert und damit grundsätzlich Einkommen. Sie muss deshalb eigentlich verwertet werden, weil es dazu – außer ggf. § 82 Abs. 3 S. 3 SGB XII – keinen Schontatbestand wie z.B. in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII oder § 90 Abs. 3 SGB XII gibt. Grundlagennorm ist § 82 Abs. 7 SGB XII.
Solange die Immobilie aber nicht "verflüssigt" werden konnte ("Ziegelsteine kann man nicht essen"), darf sie mangels "bereiter Mittel" nicht bedarfsdeckend angerechnet werden; somit läuft der Verteilzeitraum nicht an. Die Immobilie bleibt weiter Einkommen, das an sich verwertet werden muss. Es entsteht ein rechtliches Vakuum. Darlehensmöglichkeiten wie in § 24 Abs. 5 SGB II gibt es nicht. Die Kommentarliteratur diskutiert deswegen für zu große Immobilien eine analoge Anwendung von § 91 SGB XII. Konsequenterweise müsste man dann aber auch für größenmäßig "passende" Immobilien § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII gelten lassen. Dafür spricht auch ein Blick in die Begründung der Gesetzesänderung des § 11 SGB II: "Zudem ist die Berücksichtigung von Sachwerten unbillig, wenn der gleiche Gegenstand, wäre er bereits bei Antragsstellung vorhanden gewesen, nicht als Vermögen zu berücksichtigen gewesen wäre." Es gibt keinen Grund dieses Argument im SGB XII nicht anzuwenden. Die leidige Diskussion darüber, ob es Einkommen oder Vermögen ist und die Notwendigkeit immer neuer Ausnahmen von der Regel könnten damit beendet werden. Damit würde eine zugewendete und selbstbewohnte angemessene Wohnimmobilie Schonvermögen sein können.
Rz. 16
Von der Verpflichtung zum Einsatz einer Immobilie als Vermögen kann man nur dann freigestellt werden, wenn sie eine selbstbewohnte angemessene Wohnung i.S.v. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII ist. Dazu sollte sie nicht größer als 80 bis...