Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 442
Die bestandskräftige Überleitung bildet die Grundlage der Aktivlegitimation des Sozialhilfeträgers vor den Zivilgerichten bis zur Höhe seiner Aufwendungen.
a) Überleitung wegen erhaltener Leistungen
Rz. 443
§ 93 Abs. 1 S. 1 SGB XII setzt voraus, dass die Person, die einen Anspruch gegen einen Dritten hat, gegenüber dem Sozialhilfeträger leistungsberechtigt sein muss. Es wird also nicht vorausgesetzt, dass tatsächlich schon Sozialleistungen erbracht worden sein müssen. Die Leistung muss aber vom Sozialleistungsträger dem Grunde nach durch einen den Leistungsanspruch konkretisierenden Verwaltungsakt festgestellt worden sein. Die Überleitung kommt dann in Betracht, wenn der Bewilligungsbescheid vorliegt.
Rz. 444
§ 93 Abs. 1 S. 2 SGB XII regelt, dass der Übergang des Anspruches auch wegen Aufwendungen für Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung (3. und 4. Kapitel SGB XII) bewirkt werden kann, die der Leistungsträger gleichzeitig für den nicht getrenntlebenden Ehegatten oder Lebenspartner und deren minderjährigen unverheirateten Kindern erbringt. Der Übergang des Anspruches findet nur für die Zeit statt, für die der Leistungsberechtigte die Leistung ohne Unterbrechung erhalten hat. Als Unterbrechung gilt ein Zeitraum von mehr als zwei Monaten. Es muss also zum Leistungsbezug kommen.
b) Die Rechtmäßigkeit der erbrachten Sozialleistung
Rz. 445
Das Tatbestandsmerkmal "Empfänger von Leistungen" setzt nach einer Auffassung in der Literatur voraus, dass die Gewährung von Leistungen rechtmäßig erfolgt sein muss. Das ist aber streitig. Das BVerwG hat ein "sowohl als auch" vertreten. Das BSG hat sich dem angeschlossen und ausgeführt:
Zitat
"… es sind aber differenzierte Betrachtungen möglich, abhängig davon, ob die Sozialhilfe im Wesentlichen von den gleichen Voraussetzungen abhängt wie der übergeleitete Anspruch (dann keine Rechtmäßigkeitsprüfung der Sozialhilfeleistung) oder ob es sich um höchstpersönliche Rechte handelt, die übergeleitet werden oder sich die Voraussetzungen der Hilfegewährung wesentlich von denjenigen des übergeleiteten Anspruchs unterscheiden oder Belange des Dritten in unzulässiger Weise verkürzt werden."
Letztlich löst sich das Problem vorrangig systematisch richtig dadurch, dass aus Gründen des Rechtsstaatsprinzips ein Leistungsträger die Entscheidung nach § 45 SGB X aufzuheben hat, wenn er Anhaltspunkte für dessen Rechtswidrigkeit hat. Die Überleitung ist dann nicht mehr notwendig oder entfällt.
c) Die Endgültigkeit der Leistungsgewährung
Rz. 446
Da es bei § 93 SGB XII um die (Wieder-)herstellung des Nachrangs der Sozialhilfe geht, muss die Leistungsgewährung endgültig sein. Wird ein Vorschuss i.S.v. § 42 SGB I gewährt, mangelt es an der Endgültigkeit. Die Rechtsprechung hat bei einem Darlehen, das keine endgültige Leistung darstellt, anders entschieden, wenn Sozialhilfe im Wege eines Darlehens gewährt worden ist, aber feststeht, dass der Hilfeempfänger das Darlehen nicht zurückzahlen kann.
d) Zeitliche Deckungsgleichheit
Rz. 447
Zwischen der Leistungspflicht des Dritten und dem Bewilligungszeitraum der Leistung durch den Sozialleistungsträger muss zeitliche Deckungsgleichheit (Zeitraumidentität) bestehen. Entscheidend ist der Bewilligungszeitraum und nicht der tatsächliche Empfang. Ob Ansprüche in den Zeitraum der Leistungsgewährung fallen, richtet sich danach, ob der Anspruch gegen den Dritten tatsächlich fällig ist. Das Bestehen des Anspruchs als solches reicht nicht aus. Andererseits können aber auch Ansprüche übergeleitet werden, die zwar schon vor den Leistungen des Sozialhilfeträgers fällig, aber im Zeitpunkt der Bewilligung noch nicht erfüllt waren.
e) Ursachenzusammenhang zwischen Sozialhilfegewährung und Nichterfüllung des Anspruches des Hilfeempfängers gegen einen Dritten
Rz. 448
§ 93 Abs. 1 S. 3 SGB XII regelt, dass der Übergang des Anspruches nur insoweit bewirkt werden darf, als bei rechtzeitiger Leistung des Dritten die Leistung entweder nicht erbracht worden wäre oder in den Fällen des § 19 Abs. 5 SGB XII Aufwendungsersatz oder ein Kostenbeitrag zu leisten gewesen wäre. Diese Begrenzung versteht sich vor dem Hintergrund, dass § 93 SGB XII der (Wieder-)herstellung des Nachrangs dient. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt der Prüfung. Hier muss man den kompletten Sozialhilfeanspruch fiktiv prüfen:
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Zunächst muss unterstellt werden, dass der Anspruch im Zeitpunkt der Überleitung erfüllt worden wäre, also "bereite" Mittel zur Verfügung gestanden hätten. |
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Dann muss danach differenziert werden, ob es sich bei dem gedachten Zufluss um bedarfsdeckungsgeeignetes Einkommen oder Vermögen handeln würde |
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Dann müssen alle vorstehend dargestellten Einkommens- und Vermögens-Schontatbestände (also z.B. auch die... |