Rz. 315

Durch eine Erbschaft erlangte Gegenstände sind grundsätzlich vorrangig zur Abwendung von Hilfebedürftigkeit einzusetzen.[538] Bei den sozialhilferechtlich geschonten Familien- und Erbstücken kommen Schmuckstücke, Kunstgegenstände, Sammlungen und Möbel in Betracht, deren Besitz für den Hilfesuchenden oder dessen Familie aus Gründen der Familientradition oder aus Gründen des Andenkens an Verstorbene von besonderer Bedeutung ist. Grundstücke, Bargeld und Wertpapiere sind nicht erfasst.[539] Vorausgesetzt wird allerdings zusätzlich, dass die Verwertung eine besondere Härte darstellt, so dass ganz besonders schwerwiegende Gründe vorliegen müssen, also etwa, dass der Wert für die Familie deutlich höher ist als der Verkehrswert, oder wenn es sich um das allerletzte Erinnerungsstück handelt.

 

Rz. 316

An diesem Schonvermögenstatbestand zeigt sich das Problem der Behandlung von Zuflüssen in Geldeswert als Einkommen besonders deutlich und es erklärt, warum der Gesetzgeber im SGB II Gegenstände in Geldeswert aus der Einkommensdefinition herausgenommen hat. Nach der modifizierten Zuflusstheorie sind Nachlassgegenstände mit Geldeswert, die im Bedarfszeitraum zufließen, immer Einkommen und müssen bedarfsdeckend "versilbert" werden. Sie können daher nie mehr Schonvermögenscharakter erlangen, obwohl der Gesetzgeber gerade den besonders emotional verbundenen Gegenständen mit Erinnerungswert besondere Verschonung zuerkennen wollte.

 

Hinweis

Im Streitfall kann die ungerechtfertigte und durch sachliche Gründe nicht begründbare Ungleichbehandlung von Zuflüssen in Geldeswert anhand der Überlegungen des Gesetzgebers zur Änderung von § 11 SGB II im Jahr 2016 geltend gemacht werden. An sich müsste für alles, was bereits normativ in § 90 SGB XII geschont ist, ein Verbot gelten, es gleichwohl als Einkommen zu verwerten.

[538] SG Duisburg v. 4.12.2019 – Az.: S 3 SO 552/17, sozialgerichtsbarkeit.de 211051, unter Bezugnahme auf 27.1.2009 – Az.: B 14 AS 42/07R, NZS 2010, 53.
[539] Bieritz-Harder/Conradis/Thie/Geiger, LPK-SGB XII, § 90 Rn 46.

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