Dr. Gudrun Doering-Striening
a) Grundsätzliches
Rz. 107
Schulden gehören nicht zu den in § 82 SGB XII normativ geregelten Abzugsposten. Schuldentilgung ist deshalb im SGB XII mit sehr wenig Ausnahmen weder beim Einkommen noch beim Vermögen als Abzugsposten zu berücksichtigen. Einkommen ist zuvörderst zur Sicherung des Lebensunterhaltes einzusetzen. Dies gilt – wenn der Zufluss keiner Pfändung unterliegt – selbst dann, wenn der Betroffene dadurch außerstande ist, bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen. Vgl. dazu Fallbeispiel 15 (siehe § 2 Rdn 108).
Rz. 108
Darlehensrückzahlungen mindern das zu berücksichtigende Einkommen daher nicht. Derartige Schuldverpflichtungen, auf die der Betroffene freiwillig leistet, sind bei der Einkommensermittlung im Grundsatz nicht zu berücksichtigen.
Rz. 109
Die Minderung eines Zuflusses durch die Rückführung des Solls auf dem Konto des Begünstigten, das die Bank aufgrund des zwischen beiden vereinbarten Dispositionskredits vornimmt, wird sozialhilferechtlich nicht berücksichtigt. Es ist unerheblich, ob und in welchem Umfang sich aufgrund der Gutschrift auf dem Konto des Begünstigten ein positiver Kontostand auf diesem Konto ergeben hat. Der Zufluss eines Geldbetrags auf ein im Soll befindliches Girokonto ändert nichts am Zufluss selbst. Die damit verbundene Schuldentilgung ist eine Form der Mittelverwendung und mindert nicht die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens. Im Monat der Einkommensberücksichtigung ist gleichwohl ein tatsächlicher Wertzuwachs eingetreten. Entscheidend ist allein, dass der Begünstigte Kontoinhaber und nicht in Verfügungen über das Einkommen beschränkt ist. Davon abzugrenzen ist die Frage, ob das verbliebene zugeflossenes Einkommen im Verteilzeitraum geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken. Das Sozialamt muss dann ggf. noch einmal leisten. Auf die zweckwidrige Mittelverwendung muss dann ggf. mit einem Kostenersatzanspruch nach § 103 SGB XII reagiert werden. Das tangiert aber die Frage, ob Einkommen zugeflossen ist, nicht.
Rz. 110
Hinweis
Im SGB II hat der Gesetzgeber auf den vorzeitigen Verbrauch solcher einmaligen Mittel reagiert. Soweit Leistungsberechtigte einmalige Einnahmen vorzeitig verbraucht haben, kann die Leistung als Darlehen erbracht werden.
b) Abzugsposten, die mit dem Erbe notwendig verbunden sind
Rz. 111
Der Erbe haftet nach § 1967 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören außer den vom Erblasser herrührenden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen. Inwieweit sich hieraus gleichzeitig das Recht des bedürftigen Erben ergibt, diese Verbindlichkeiten – insbesondere Pflichtteilsrechte, Vermächtnisse und Auflagen – vom zugeflossenen Nachlass in Abzug zu bringen, ist bisher im SGB XII noch nicht entschieden worden. Für das SGB II werden Kosten für die Ausstellung des Erbscheins oder Bestattungskosten akzeptiert.
Rz. 112
Andere Verbindlichkeiten werden bisher nicht abgezogen, auch dann nicht, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise einen Bezug zu dem Vermögensgegenstand aufweisen. Wie ein Pflichtteilsanspruch einzuordnen ist, hat die Rechtsprechung jedenfalls insoweit beantwortet, als dass der reine Anspruch als Abzugsposten nicht ausreicht. Ist nicht belegt, dass der Pflichtteilsanspruch erfüllt ist oder alsbald erfüllt wird, findet er auch keine Berücksichtigung. Es wird also nichts abgezogen, solange nichts geltend gemacht oder ausgezahlt wurde. Ansprüche gegen Erben, die möglicherweise bestehen, aber nicht geltend gemacht wurden, oder Forderungen, die vom Erben tatsächlich nicht beglichen werden, sind nicht zu berücksichtigen. Eine andere Richtung ist für das SGB XII nicht zu erwarten.
Eine Grenze muss diese Betrachtungsweise allerdings finden, wenn das Geld tatsächlich verbraucht ist. Das Prinzip der Menschenwürde i.V.m. dem Faktizitätsprinzip verbietet es, den Hilfesuchenden ohne jede Versorgung zu lassen.