Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 462
Die Überleitung ist ein Verwaltungsakt, und zwar sowohl gegenüber dem Leistungsberechtigten als auch gegenüber dem Drittschuldner. Betrifft die Überleitung zivilrechtliche Ansprüche, handelt es sich um einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt.
Die sozialrechtlichen Handlungsformen und Verfahrensregeln ergeben sich aus dem SGB X. Zustandekommen, Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten sind in den §§ 31 ff. SGB X geregelt. So muss ein Bescheid nach § 33 Abs. 1 SGB X inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in die Lage versetzt werden, die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten. Der übergeleitete Anspruch muss hinreichend klar benannt werden, die Art der Hilfe muss bezeichnet werden ebenso wie Angaben zu Gläubiger und Schuldner enthalten. Der Adressat des Verwaltungsaktes muss in der Lage sein, das von ihm Geforderte zu erkennen.
Zitat
"Maßstab für die Bestimmtheitsprüfung ist also der Empfängerhorizont; für die Beteiligten muss sich aus dem Verfügungssatz vollständig, klar und unzweideutig ergeben, was die Behörde will. Unschädlich ist es dabei, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss. Diese Auslegungsmöglichkeiten finden allerdings ihre Grenze dort, wo es dem Adressaten überlassen bleibt, Gegenstand und Inhalt der Verfügung zu bestimmen. Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde."
Rz. 463
Ferner ist die Angabe von Zeitraum und Höhe der gewährten Sozialhilfe erforderlich, wegen der die Überleitung erfolgt. Der Anspruch muss auch noch nicht – jedenfalls nicht zwingend in jedem Fall – beziffert sein. Eine Präzisierung/Bezifferung, die den überzuleitenden Anspruch der Höhe nach erkennen lassen muss, kann zu einem späteren Zeitpunkt in einem zweiten Verwaltungsakt erfolgen, bevor der Anspruch gegen den Dritten realisiert werden soll. Die Überleitung wird in solchen Fällen zweistufig durch zwei separate Verwaltungsakte vorgenommen. Bei der Bezifferung muss deutlich hervorgehen, dass über bestehen und Höhe des Anspruchs das zuständige Gericht entscheiden muss. Die nicht hinreichende Bestimmtheit des Überleitungsbescheides führt zu dessen Rechtswidrigkeit.
Hinweis
Die Bezifferung des übergeleiteten Anspruchs ist immer dann von eklatanter Bedeutung, wenn die Kausalitätsprüfung des § 93 Abs. 1 S. 3 SGB XII ergibt, dass der angefallene Anspruch nicht 1:1 mit der erbrachten Leistung übereinstimmt. Bei Hilfen in speziellen Lebenslagen wird Einkommen i.S.d. § 82 SGB XII nur nach § 82 Abs. 7 SGB XII und im zumutbaren Umfang berücksichtigt. Die Zumutbarkeitsprüfung nach § 87 SGB XII wird der Zivilrichter ohne die Berechnung des Sozialleistungsträgers nicht ohne weiteres nachvollziehen können. Unterbleibt also eine zweistufige Berechnung, ist die Rechtsfolge zu klären. Möglich sind: (1) der Anspruch ist noch gar nicht abschließend übergegangen oder (2) die Klage aus dem Übergang des Anspruches ist unsubstantiiert, solange die Sozialhilfeberechnung nicht für jeden einzelnen Leistungszeitraum dem Gericht und dem Verpflichteten dargelegt wird.
Rz. 464
Nach §§ 35, 41 SGB X muss der Verwaltungsakt hinreichend begründet sein. Eine Verletzung der Begründungspflicht führt allerdings nicht zur Aufhebung des Verwaltungsaktes (§ 42 SGB X).
Neben der Prüfung der hinreichenden Bestimmtheit der Überleitungsanzeige ist insbesondere zu prüfen, ob der Sozialhilfeträger das ihm durch § 93 SGB XII eingeräumte Ermessen ausgeübt hat. Das Ermessen bezieht sich sowohl auf das "Ob" einer Überleitung (Entschließungsermessen) als auch auf das "Wie" einer Überleitung (Auswahlermessen). Dazu muss geprüft werden, ob der Sozialhilfeträger
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überhaupt Ermessenserwägungen angestellt hat |
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das Ermessen weder über- noch unterschritten hat. |
Zu den relevanten Ermessenssachverhalten gehören:
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familiäre und soziale Belange ("Familienfrieden") |
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lange überobligatorische Pflege des Bedürftigen |
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Wirtschaftlichkeit der Verwertung |
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Durchsetzbarkeit des Anspruchs. |
Rz. 465
In Fällen besonderer Härte kann von einer Überleitung abgesehen werden, was eine Berücksichtigung der Interessen des durch die Überleitungsanzeige Verpflichteten ungeachtet der Verhältnisse des Sozialhilfeempfängers erfordert. Das kann z.B. der Fall sein, wenn der Drittschuldner einen pflegebedürftigen Familienangehörigen vor dem Eintreten der Sozialhilfe weit über das Maß der ihn treffenden Verpflichtung hinaus gepflegt und den Sozialhilfeträger dadurch erheblich entlastet hat oder wenn eine nachhaltige Störung des Familienfriedens zu befürchten wäre und den Grundsatz der familiengerechten Hilfe verletzten würde.
Der Fests...