Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 486
Gemäß § 2346 BGB können Verwandte sowie der Ehegatte des Erblassers durch Vertrag mit diesem auf ihr gesetzliches Erbrecht oder auch nur auf ihr Pflichtteilsrecht verzichten.
Der Erb-/Pflichtteilsverzicht ist beurkundungspflichtig. Eine Vertragsgestaltung die dies ignoriert, ist offensichtlich "von Anfang an fehlerhaft", "was jedenfalls nicht zu Lasten des überleitenden Sozialhilfeträgers geht". Die Abgabe der Willenserklärung des Verzichtenden durch einen Bevollmächtigten ist möglich und bedarf nicht der Form des § 2348 BGB. Auch eine vollmachtlose Vertretung ist möglich. Die Genehmigung des Vertretenen ist formfrei möglich. Der Erblasser kann also den Vertrag mit sich selbst abschließen und sich diese vollmachtlose Vertretung vom Verzichtenden formlos genehmigen lassen.
aa) Grundsätzliches
Rz. 487
Bei einem solchen Verzichtsvertrag handelt es sich um ein abstraktes erbrechtliches Verfügungsgeschäft, dem in der Regel eine schuldrechtliche Abrede zugrunde liegt, die den Rechtsgrund beinhaltet und verhindert, dass der Verzicht der Kondiktion unterliegt. Es wird insoweit weiter zwischen einem Vertrag unterschieden, der eine Verpflichtung zum Verzicht begründet und einer bloßen Rechtsgrundabrede (Kausalabrede), die – ohne eine durchsetzbare Verpflichtung zu beinhalten – dem Verzicht die eine Kondiktion ausschließende causa unterlegt.
Auf diese Verträge sind die allgemeinen Vorschriften des BGB zur Anfechtung von Willenserklärungen, Wegfall der Geschäftsgrundlage und zur Sittenwidrigkeit anwendbar. Allerdings ist Ausgangspunkt jeder Prüfung, dass ein "Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht von der gesetzgeberischen Konzeption her einen aleatorischen Charakter besitzt, indem jeder Beteiligte bewusst Unsicherheiten hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in der Person des Erblassers und des Verzichtenden auf sich nimmt, so dass sie wegen der damit verbundenen Risikozuweisung grundsätzlich auch dann Bestand haben soll, wenn später eine signifikante Änderung der Vermögenslage eintritt. Wegen des Wesens als abstraktes Verfügungsgeschäft gilt für die Wirksamkeitskontrolle nach § 138 BGB, dass der vom Gesetzgeber in § 2346 zugelassene Verzicht als solcher wertneutral ist. Eine Unwirksamkeit kann sich gleichwohl aus dem Gesamtcharakter sowie aus Umständen, die eine dem Verzicht zugrunde liegende schuldrechtlichen Vereinbarung anhaften, ergeben. … Die Prüfung am Maßstab der Sittenwidrigkeit ist damit, insbesondere im Fall der Inhaltskontrolle, ein Instrument, um groben Verstößen entgegenzutreten, dessen Anwendung auf evidente Ausnahmefälle begrenzt bleiben muss."
Rz. 488
Das hinter dem Verzicht im Regelfall stehende Verpflichtungsgeschäft kann aus erbrechtlicher Sicht im Einzelfall unwirksam sein oder einer Anpassung bedürfen, Zu beachten ist, dass dies Ansprüche auslösen kann, die als bedürftigkeitsmindernd stets zu prüfen bleiben.
bb) Der Pflichtteilsverzicht durch einen behinderten Bezieher von Eingliederungshilfe und Leistungen des SGB XII
Rz. 489
Der Entscheidung des BGH über die Wirksamkeit eines Pflichtteilsverzichtes lag ein Sachverhalt eines behinderten Beziehers von Eingliederungshilfe i.S.d. §§ 53 ff. SGB XII a.F. und sonstigen Leistungen des SGB XII zugrunde. Grundsätzlich hat der BGH in dieser Pflichtteilsverzichtsentscheidung bestätigt, dass zivilrechtlich jeder frei in seiner Entscheidung ist, ob er Erbe eines anderen werden oder auf andere Art etwas aus dessen Nachlass bekommen will:
Zitat
"Vor diesem Hintergrund ist der Erbrechtsgarantie in Art. 14 Abs. 1 GG auch ein Gegenstück im Sinne einer "negativen Erbfreiheit" zu entnehmen. Wenn einerseits Erblasser frei darin sind, andere zu ihren Erben einzusetzen, ist dies andererseits nur insofern zu billigen, als die Betroffenen damit einverstanden sind. Es gibt keine Pflicht zu erben oder sonst etwas aus einem Nachlass anzunehmen." (Prinzip der negativen Erbfreiheit)
(1) Grundsätzlich sittenwidrig oder grundsätzlich rechtsbeständig?
Rz. 490
Ein Bedürftiger, der zu Lebezeiten des Erblassers auf Erbansprüche bzw. Pflichtteilsansprüche verzichtet, sorgt damit dafür, dass ihm im Erbfall ohne ausdrückliche ...