Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 632
Ausgangspunkt für die Bestimmung des Begriffes "Wert des Nachlasses" ist § 2311 BGB. Es dürfen daher nur diejenigen Schulden, Lasten und Verpflichtungen abgezogen werden, die auch beim Eintritt der gesetzlichen Erbfolge bestehen würden. Alle Verpflichtungen, die sich aus testamentarischen Verfügungen des Erblassers ergeben, bleiben unberücksichtigt. Anzusetzen sind die Nachlassverbindlichkeiten. Kosten der Nachlassverwaltung, der Nachlasssicherung, der Ermittlung der Nachlassgläubiger, der Inventarerrichtung etc. sind vom Nachlass abzugsfähig.
Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehört nach § 102 SGB XII die Kostenforderung selbst. Nach § 1967 Abs. 2 BGB gehören auch die den Erben ansonsten treffenden Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen zu den Nachlassverbindlichkeiten. Das wirft die Frage auf, wie insoweit der Wert des Nachlasses zu berechnen ist und was zu tun ist, wenn Kostenersatzforderung und sonstige Nachlassverbindlichkeiten zusammentreffen.
Rz. 633
Der Wert der Ersatzforderung ist nicht einzubeziehen. Obwohl sie selbst zu den Nachlassverbindlichkeiten gehört, kann sie erst und nur insoweit geltend gemacht werden, als ein die Freibeträge übersteigender Wert des Nachlasses vorhanden ist. Sonstige Nachlassverbindlichkeiten gehen ihr vor, so die Aussage das BVerwG.
Für die Bestattungskosten nach § 1968 BGB – also den Kosten einer würdigen Beerdigung – ist das allgemeine Meinung. Ein Vorrang des Kostenersatzanspruches vor den Kosten einer Bestattung im Sinne des § 1968 BGB wird von der Rechtsprechung verneint. Der Erbe soll die Kosten einer würdigen Bestattung nicht aus den Freibeträgen finanzieren.
Rz. 634
Welche sonstigen Nachlassverbindlichkeiten bei der Wertermittlung "vorgehen", also abzuziehen sind, ist trotz der Aussage des BVerwG streitig. Im Rahmen der Berechnung des § 2311 BGB dürfen Pflichtteilsansprüche nicht abgezogen werden. Auch Vermächtnisse und Auflagen scheiden bei der Berechnung des Wertes des Nachlasses nach Maßgabe des § 2311 BGB aus, denn es geht ja gerade darum, dass der Erblasser Pflichtteilsrechte nicht durch Verfügungen von Todes wegen soll beeinträchtigen können. Das führt dazu, dass die Verwaltung und die untergerichtliche Rechtsprechung Pflichtteils- und Vermächtnisansprüche auch aus der sozialrechtlichen Erbenhaftung herausnehmen und dies mit dem Nachranggrundsatz begründen. Pflichtteils- und Vermächtnisansprüche sowie Auflagen seien zwar ebenfalls Nachlassverbindlichkeiten, seien aber nachrangig. So könne z.B. der Pflichtteilsberechtigte Befriedigung erst aus dem schuldenfreien Nachlass verlangen. Ein Teil der Kommentarliteratur sieht das anders. Das dürfte falsch sein. Letztlich verfolgt die sozialrechtliche Erbenhaftung die Zielsetzung, aus dem Nachlassvermögen kein postmortales Schonvermögen zu machen. Wenn schon der Erbe nicht partizipieren kann, dann darf für andere erbrechtlich Begünstigte nichts anderes gelten. Der Auffassung der Rechtsprechung ist daher Stimmigkeit nicht abzusprechen. Entsprechend sind bei der Berechnung des Wertes des Nachlasses im Sinne von § 102 SGB XII Pflichtteilsansprüche, Vermächtnisse und Auflagen nicht mit einzubeziehen.