Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 547
Betroffen von der Pflicht zum Kostenersatz nach § 103 SGB XII sind Volljährige, die
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für sich oder |
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für andere |
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die Voraussetzungen der Sozialhilfe |
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durch vorsätzliches oder grobfahrlässiges Verhalten |
herbeigeführt haben.
Anders als in § 34 SGB II gibt es keine Regelung, die als Herbeiführung im Sinne des Satzes 1 auch annehmen, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde.
aa) Einbeziehung Dritter
Rz. 548
Zum Kostenersatz ist auch verpflichtet, wer als leistungsberechtigte Person oder als deren Vertreter die Rechtswidrigkeit des der Leistung zugrundeliegenden Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Eine Beschränkung auf Personen, mit denen man in Einsatzgemeinschaft lebt, findet ausdrücklich nicht statt. Insoweit können auch völlig außerhalb des Leistungsbezugs stehende Dritte, wie z.B. Betreuer, davon betroffen sein. Dritte sind ohne jede Einschränkung in den Anwendungsbereich des § 103 SGB XII einbezogen, weil der Sinn von § 103 SGB XII in der Herstellung des Nachrangs der Sozialhilfe nach § 2 SGB XII liegt: "Damit schreibt § 103 SGB XII jedem, der – auch als Dritter – die Hilfebedürftigkeit unter den Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB XII herbeiführt (gleichgültig ob durch aktives Tun oder Unterlassen, dazu: BVerwG vom 10.4.2003 – 5 C 4/02 – BVerwGE 118, 109 – juris Rn 16), eine Verantwortung für die von der Gemeinschaft der Steuerzahler (als Solidargemeinschaft) aufgebrachten Mittel der Sozialhilfe zu."
bb) Rechtmäßigkeit
Rz. 549
Der Kostenersatzanspruch setzt stets voraus, dass die Leistungen rechtmäßig erbracht wurden. Rechtswidrige oder rechtswidrig gewordene Leistungsverwaltungsakte sind nach den §§ 45,48 SGB XII aufzuheben. Werden Bescheide als rechtswidrig aufgehoben, so können nach § 104 SGB XII Dritte in entsprechender Anwendung des § 103 SGB XII in Anspruch genommen werden. Als Dritte kommen auch Betreuer und Rechtsanwälte in Betracht.
Wegen der geringen praktischen Bedeutung wird insoweit von einer gesonderten Darstellung abgesehen.
cc) Quasi-deliktischer Ausnahmetatbestand
Rz. 550
Das BVerwG hat den Kostenersatz auf einen "engen deliktsähnlichen Ausnahmetatbestand" begrenzt. Er lehnt sich ausweislich der Gesetzesbegründung an das bisherige Sozialrecht, also an § 92a BSHG an. Dazu hatte die Rechtsprechung – quasi über den Wortlaut hinaus – einschränkende Voraussetzungen entwickelt, die das BSG übernommen hat. Danach kommt eine Anwendung überhaupt nur in Betracht, wenn das Verhalten, durch das die Voraussetzungen für die Gewährung herbeigeführt werden, als sozialwidrig angesehen werden muss. Rechtswidrigkeit wird aber nicht gefordert.
(1) Sozialwidrigkeit der Ausschlagung
Rz. 551
Ob ein Verhalten sozialwidrig ist, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen. Die Ausschlagung einer überschuldeten Erbschaft ist immer sozialadäquat. Die Ausschlagung einer Erbschaft, die mit einer Anzahl erheblicher oder durchweg nicht zu leistender Beschwerungen verbunden ist, ist ebenfalls sozialadäquat. Die Ausschlagung eines Erbes durch eine Mutter, um ihren Kindern als Ersatzerben eine dauerhafte Wohnstatt bieten zu können, wird man ebenfalls nicht als sozialwidrig ansehen können.
Soweit es um die Inanspruchnahme von (Gestaltungs-)rechten geht, die zivilrechtlich zulässig in Anspruch genommen werden können, scheinen Kostenersatzansprüche ebenfalls eher nicht in Betracht zu kommen. Das SG Duisburg hält die Ausübung eines Gestaltungsrechtes in einem Nebensatz ohne Begründung für sanktionslos, in einer anderen Entscheidung eine Ausschlagung mit der Rechtsprechung des BGH nicht für sittenwidrig.
Rz. 552
Fallbeispiel 41: Die Ausschlagung
Die sozialhilfebedürftige M erbt nach ihrem Bruder 100.000 EUR. Sie will mit dem Nachlass ihres Bruders, mit dem sie lebenslang im Streit lag, nichts zu tun haben. Sie schlägt zugunsten ihrer Tochter aus.
Der Sozialhilfeträger leistet mangels "bereiter" Mittel weiter, hält die Ausschlagung aber mindestens für sozialwidrig, weil die M sich sehenden Auges in der Sozialhilfebedürftigkeit gehalten und damit sogar noch ihre nicht bedürftige Tochter begünstigt habe. Der Sozialhilfeträger macht nun Kostenersatz nach § 103 SGB XII geltend.
Rz. 553
Falllösung Fallbeispiel 41:
Der Kostenersatz nach § 103 SGB XII richtet sich gegen die ohnehin bedürftige M und es fragt sich, welchen Nutzen sich das Sozialamt von der Geltendmachung eines Kostenersatzanspruches verspricht. Der Nutzen ergibt sich aus § 26 Abs. 2 S. 1 SGB XII, wonach der Sozialhilfeträger die zu gewährenden Leistungen bis auf das zum Leben j...