Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 621
Für den Ausnahmetatbestand der besonderen Härte gelten hohe Anforderungen. Die Stellung als Ehegatte oder enger Verwandter genügt nicht, um eine Härte zu begründen. Eine besondere Härte liegt z.B. dann vor, wenn der Erbe den Erblasser gepflegt hat, aber nicht mit ihm verwandt war oder nicht in häuslicher Gemeinschaft mit ihm gelebt hat. Die Rspr. hat hier angenommen, dass eine der häuslichen Gemeinschaft vergleichbare "Nähe" auch dann bestehe, wenn die Pflegeperson unter Einsatz eigener finanzieller Mittel und erheblichem Zeitaufwand eine Entfernung "von 39 km überwindet, um die häusliche Gemeinschaft gleichsam zu ersetzen."
Rz. 622
Eine besondere Härte kann darin liegen, dass der Erbe nachhaltig den Wert des Nachlasses erhöht hat, so z.B. durch die Führung eines Schmerzensgeldprozesses über lange Zeit. Aufwendungen, die der Erbe auf einen Nachlassgegenstand gemacht hat, zieht die Rechtsprechung vom Wert des Nachlasses ab, so z.B. der Wert des Einbaus einer Heizungsanlage. Hierzu wählt sie den Weg über den Härtetatbestand. Müsste der Erbe, der Mittel für die Renovierung aufgebracht hat, gerade deshalb mehr an Sozialhilfekosten ersetzen, weil der Nachlass in Höhe seiner Aufwendungen wertvoller geworden sei, so liege darin eine besondere Härte. Zinsen und Kosten für solche Aufwendungen erhöhten aber den Nachlasswert nicht und seien deshalb nicht zu berücksichtigen. Anders ist es dann, wenn der Erbe nach dem Erbfall ein Darlehen aufgenommen hat, um das ererbte Haus zu sanieren und zu verbessern, weil die wertsteigernden Maßnahmen über einen erhöhten Veräußerungserlös zurückfließen.
Rz. 623
Eine besonders lange Verfahrensdauer – 13 Jahre – soll ebenso wenig wie der Verbrauch der Erbschaft eine besondere Härte begründen. Eine besondere Härte liegt nicht darin, dass der Erbe selbst nur geringes Einkommen besitzt oder arbeitslos ist.
Anders kann es sein, wenn der Nachlass für den Erben selbst Schonvermögen wäre. Dabei können diejenigen Kriterien maßstabsbildend herangezogen werden, die grundsätzlich für die Frage der Verwertbarkeit i.S.d. § 90 SGB XII eine Rolle spielen. Weiterhin kann eine Rolle spielen, ob der Ersatzpflichtige im Falle der Erfüllung des Ersatzanspruchs selbst sozialhilfebedürftig wird oder ob Sozialhilfebedürftigkeit droht.
Rz. 624
Eine besondere Härte ergibt sich nicht daraus, dass es sich bei dem ererbten Grundbesitz um Miteigentum an dem Haus handelt, das ein Erbe mit seinem Ehegatten bewohnt hat und nach seinem Tod weiterhin bewohnt, selbst wenn dies zum Verlust des Familienheims führen kann. Insoweit handelt es sich nach der Rechtsprechung "nicht um einen atypisch gelagerten Fall mit Ausnahmecharakter, sondern um eine häufig anzutreffende Konstellation, wenn nicht sogar um den typischen Fall des §§ 102 SGB XII." Auch im Fall einer Veräußerung verbleibe dem daheimgebliebenen überlebenden Ehegatten der Wert der Immobilie in Form des Veräußerungserlöses soweit er den jeweiligen Kostenersatzanspruch übersteige.
Rz. 625
Eine besondere Härte kann aber ggf. zu bejahen sein, wenn der Vermögensgegenstand vor dem Erbfall im Miteigentum des Leistungsberechtigten und des Erben stand, für beide gleichermaßen als Schonvermögen geschützt war, z.B. bei einem selbst bewohnten Hausgrundstück und die Existenz auf dem Spiel steht. Der Umstand, dass der Ehepartner des verstorbenen Hilfeempfängers die je zur Hälfte im Miteigentum der Ehegatten stehenden Immobilie überwiegend finanziert, sieht die Rechtsprechung nicht als Härtefall an. Eine Härte hat die Rechtsprechung auch nicht darin gesehen, dass der Erbe vor dem Tod des Hilfeempfängers keine Kenntnis über den Kostenersatzanspruch gehabt hat. Der Leistungsträger müsse nicht bei jeder Leistungsbewilligung über Kostenersatzansprüche vorwarnen.
Wird eine Härte bejaht, so führt dies nicht zwingend zum gesamten Verzicht auf die Inanspruchnahme des Nachlasses. Sie kann auch nur zur Erhöhung der Schonbeträge führen. Eine Alternative ist es, den Kostenersatzanspruch durch Eintragung einer entsprechenden Sicherungshypothek zugunsten des Sozialhilfeträgers anzuerkennen, um das weitere Bewohnen der Immobilie bis zum Tod des Kostenersatzpflichtigen zu ermöglichen.