Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 287
Es gibt keine Regel, die besagt, dass bei Anordnung von Dauertestamentsvollstreckung oder bei Bedürftigen-/Behindertentestamenten sozialhilferechtlich nie auf einen Herausgabeanspruch verwiesen werden kann.
Der Dauertestamentsvollstrecker hat den Nachlass in Besitz zu nehmen. Er hat ihn im Allgemeinen auf Dauer in seinem Besitz zu halten und ordnungsmäßig zu verwalten (§ 2216 Abs. 1 BGB). Auf das Rechtsverhältnis zwischen Testamentsvollstrecker und Erben sind die §§ 2218, 671 BGB anwendbar. Danach hat der Testamentsvollstrecker eine Herausgabepflicht gegenüber dem durch Testamentsvollstreckung beschränkten Erben/Vermächtnisnehmer. Am Ende seines Amtes hat der Testamentsvollstrecker alle Nachlassgegenstände, die zu diesem Zeitpunkt vorhanden sind, einschließlich evtl. Surrogate herauszugeben.
Zitat
"Dieser Anspruch, …, gehört zum Vermögen der Betroffenen im Sinne von § 90 SGB XII."
Anmerkung
Ob der Anspruch auf Herausgabe von Nachlassmitteln gegenüber dem Testamentsvollstrecker tatsächlich Vermögen im Sinne des SGB XII oder als bloße Realisierung einer Forderung im Bedarfszeitraum nicht doch nur Einkommen ist, muss im Einzelfall sozialhilferechtlich geprüft werden. Es spricht nichts dafür, dass insoweit von der Forderungsrechtsprechung des BSG zum Einkommen abgewichen wird und der Zufluss aus einer Forderung als Vermögen bewertet wird. Aber so oder so: der sozialhilferechtliche Angriffspunkt bei Behinderten-/Bedürftigentestamenten liegt beim Herausgabeanspruch gegenüber dem Testamentsvollstrecker.
Rz. 288
Die Pflicht zur Herausgabe von Nachlass und/oder Nutzungen des Nachlasses an den Vorerben/Vorvermächtnisnehmer ist aufgehoben, wenn der Erblasser Dauertestamentsvollstreckung nach § 2209 BGB angeordnet hat. Nach § 2210 BGB wird die Anordnung 30 Jahre nach dem Erbfall unwirksam wird. Die Wirkung der Dauertestamentsvollstreckung kann aber dadurch verlängert sein, dass ihr Erlöschen auf den Tod des Vorerben oder ein anderes Ereignis abstellt. Dann wird der Sozialleistungsträger in einem ersten Schritt grundsätzlich davon ausgehen müssen, dass eine Freigabe von Nachlassgegenständen nicht erreicht werden kann. Die Prüfung ist damit aber noch nicht beendet. Auch bei der Dauertestamentsvollstreckung kann "freies" Vermögen im Sinne des Zivilrechtes entstehen oder bestehen.
Rz. 289
Eine ausdrücklich sich von der h.M. abgrenzende Meinung sieht in den Normen des Auftragsverhältnisses, die für das Rechtsverhältnis zwischen Testamentsvollstrecker und Erben Anwendung finden, den Rechtsgrund dafür, dass der Testamentsvollstrecker die jährlich erwirtschafteten Erträge zwingend herauszugeben habe. Die h.M. setze sich zu Unrecht nicht mit §§ 2218, 2220 BGB auseinander. Erträge können nur einbehalten werden, soweit sie zur Sicherung der Nachlasssubstanz nötig seien.
Rz. 290
Die Grenzen der Wirkung der Testamentsvollstreckung ergibt nach einer anderen Meinung aus der vorgelagerten Herausgabepflicht nach § 2217 BGB. bzw. der Wirkung der Anordnung der Testamentsvollstreckung. Nach wieder anderer Ansicht können auf Anordnung des Erblassers, mit denen er vollständige oder teilweise Auskehrung der Nachlasserträge – gleich ob zweckgebunden oder anlassunabhängig – anordnet, weder § 2216 BGB noch § 2217 BGB Anwendung finden. Ordnet der Erblasser Auskehrung der Erträge an, dann nehme er damit eine Einschränkung des Amtes nach § 2208 BGB vor. Die wohl h.M. wendet § 2216 BGB an.
Rz. 291
Nach § 2217 i.V.m § 2223 BGB hat der Testamentsvollstrecker die Gegenstände, die er für die Erfüllung seiner Obliegenheit nicht mehr benötigt, an den Erben/Vermächtnisnehmer herauszugeben.
Zitat
"Ein Dauertestamentsvollstrecker hat den Nachlass in Besitz zu nehmen, im allgemeinen auf Dauer in seinem Besitz zu halten und ordnungsmäßig zu verwalten (§ 2216 Abs. 1 BGB). Das gilt grundsätzlich auch für die Nutzungen des Nachlasses. Herausgabe derartiger Nutzungen kann der Erbe von dem Testamentsvollstrecker daher nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung – vorbehaltlich einer anders lautenden Verfügung von Todes wegen – nur dann verlangen, wenn das den Grundsätzen der ordnungsmäßigen Verwaltung (§ 2216 Abs. 1 BGB) entspricht."
Aus dem Wesen der Dauertestamentsvollstreckung ergibt sich also, dass eine Freigabe einzelner Gegenstände nach § 2017 BGB bei Dauertestamentsvollstreckung dem Grunde nach nicht in Betracht kommt.
Rz. 292
Ein Herausgabeanspruch für Nutzungen des Vorerben/Vorvermächtnisnehmers scheidet nach § 2017 BGB ohnehin aus, weil Nutzungen des Nachlasses keine Gegenstände im Sinne von § 2217 BGB sind. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Testamentsvollstrecker letztlich aus klassischen Behindertentestamenten Surrogate der Nutzungen herausgibt, weil er die Nutzungen nach Maßgabe der Verwaltungsanordnungen des Erblassers im möglichst anrechnungsfreien und bedarfsdeckungsungeeigneten Zustand herausgibt. Die Herausgabeverpflichtung nach § 2217 BGB wird nach diesseitiger Ansicht ...