Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 532
Angesichts des schmalen Grats, auf dem man sich bewegt, wenn es darum geht, Zuflüsse aus Erbfall und Schenkung "sozialhilfefest" zu machen, stellt sich die Frage, ob es möglich ist, ungeschützte Mittel in Schonvermögen umzuwandeln, zumal ja zufließende Mittel im Bedarfszeitraum eigentlich zunächst einmal nach der modifizierten Zuflusstheorie Einkommen und nach § 82 Abs. 7 SGB XII erst nach Ablauf des Verteilzeitraums zu Vermögen werden. Das Problem dieses Umwandlungsprozesses ist bisher weder durch die Rechtsprechung noch durch die Literatur gelöst.
Zur Umwandlung in Schonvermögen hat das BSG in einer Entscheidung zum Arbeitslosenhilferecht die Auffassung vertreten, dass es dessen Sinn entspräche, nur den bestehenden Lebensstandard zu erhalten, nicht aber nachträglich erworbenes Vermögen zu privilegieren. Allerdings macht diese Entscheidung fest an einem speziellen Wortlaut der damaligen gesetzlichen Grundlagen, die man so heute nicht mehr übernehmen kann. In einer anderen Entscheidung zum Arbeitslosenhilferecht sah das BSG dies anders.
Rz. 533
Fallbeispiel 40: Der Einzug in die Immobilie
E ist Eigentümer eines ererbten Grundstücks, das er nicht selbst bewohnt. Er beantragt Sozialhilfeleistungen. Nach Versagung wegen fehlender Bedürftigkeit zieht er in das Haus, das seine Altersvorsorge sein soll, ein und beantragt erneut Leistungen.
Rz. 534
In der Literatur wird – wenn bisher auch ohne Begründung – vertreten, der Sozialleistungsempfänger könne ererbtes Vermögen in Schonvermögen umwandeln. Ziehe ein Sozialleistungsempfänger z.B. sofort in die ererbte – angemessene -Immobilie ein, so sei das geerbte Vermögen Schonvermögen und der Sozialleistungsempfänger gesichert.
In der Rechtsprechung deutet sich vereinzelt eine vergleichbare Sicht an; diese setzt dabei z.T. voraus, dass der Hilfeempfänger bereits zuvor, also von Anfang an, Schonvermögen besessen hat. Zum SGB II und hierher übertragbar hat das LSG Berlin-Brandenburg entschieden, dass der Kauf von Wohneigentum aus einer Erbschaft in der Zeit nach Beendigung des Leistungsbezuges eine vernünftige Maßnahme der Alterssicherung und sozialadäquat sei.
Das BSG entschied:
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Die Anspruchsvoraussetzung der Bedürftigkeit kann während der Dauer der Arbeitslosigkeit wegfallen oder neu eintreten mit der Folge, dass die jeweilige Änderung vom Zeitpunkt ihres Eintritts an zu berücksichtigen ist. Entscheidend ist, ob der Lebensunterhalt während des jeweiligen Zeitraumes gesichert ist, für den Arbeitslosenhilfe zu berücksichtigen ist. |
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Jedenfalls kann die spätere Änderung der Vermögensverhältnisse – Einzug ins Haus – eine zuvor fehlende Bedürftigkeit nachträglich begründen. Deshalb ist ein Privilegierungstatbestand zutreffend erst ab dem tatsächlichen Einzug in ein Haus zu berücksichtigen. |
Für die Zeit vorher kann sich ein Kläger jedoch nicht auf einen Privilegierungstatbestand berufen, weil er sein Hausgrundstück zu dieser Zeit noch nicht bewohnt hat.
Rz. 535
Falllösung Fallbeispiel 40:
Dem ist zu folgen. Dafür spricht, dass das BSG auch in einer anderen Entscheidung die Umwandlung in Schonvermögen nur in die Vergangenheit nicht akzeptiert, für die Zukunft aber nicht abgelehnt hat. Es muss für jeden Bewilligungsabschnitt gesondert geprüft und entschieden werden, ob verwertbares Vermögen vorliegt.
Wenn man weiter davon ausgeht, dass die Ausschlagung nach § 1942 BGB als die stärkste Form des Sich-Bedürftigmachens aus zivilrechtlichen Gründen zulässig ist und sozialhilferechtlich allenfalls Kostenersatzansprüche auslösen kann, spricht viel dafür, die Umwandlung von nicht geschonten Mitteln Vermögen in Schonvermögen zuzulassen.
Rz. 536
Wenn Zuflüsse aus Erbfall oder Schenkung die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit des Hilfebeziehers beenden, ist der Betroffene grundsätzlich ohnehin wieder frei, über sein Vermögen zu disponieren. Nur das "sozialwidrige" Verprassen kann mit Sanktionen belegt werden. Der zivilrechtlich wirksame Erwerb einer angemessenen Immobilie ist sozialhilferechtlich nicht rückabwickelbar. Tritt dann erneut mangels regelmäßiger zufließender Mittel zur Bedarfsdeckung Bedürftigkeit ein, so
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wirkt eine Umwandlung teilweise bedarfsmindernd oder -deckend |
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wird der Sozialhilferegress durch die sozialhilferechtliche Erbenhaftung beim Tod des Bedürftigen realisiert. |
Sanktionen nach § 103 SGB XII – wenn man die Tatbestandsvoraussetzungen denn überhaupt bejahen würde, sind nach § 103 Abs. 3 SGB XII zeitlich überschaubar.
Das spricht für die generelle Möglichkeit der Umwandlung. Bei der Rechtsgestaltung darf von einer solchen Möglichkeit aber keinesfalls gesichert ausgegangen werden.
Rz. 537
Die Zulässigkeit der Umwandlung in Schonvermögen hat für § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII Konsequenzen für den Umgang mit zu großen, "unangemessenen" Immobilien. Dem Eigentümer kann dann auch nicht verwehrt werden, ein angemessenes Hausgrundstück zu erwerben und bei danach eintretender Bedürftigkeit wieder Sozialhilfe zu beziehen. Allerdings m...