Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 245
Die Verfügungsmacht eines Rechtsinhabers kann auch dadurch beschränkt sein, dass dem Rechtsinhaber die erforderliche Verfügungsbefugnis nicht allein zusteht. Typische Fälle sind die Miteigentümergemeinschaft oder die Erbengemeinschaft. Die Tatsache, dass ein Hilfesuchender nur Miteigentümer einer Immobilie ist, steht der Verwertbarkeit des Vermögens aus rechtlichen Gründen aber nicht entgegen.
Rz. 246
Jeder Miteigentümer kann gem. § 747 S. 1 BGB auch über seinen Miteigentumsanteil verfügen. Der Anspruch ist übertragbar und verpfändbar (§§ 1009, 1066, 1114, 1192 BGB).
Hinweis
Die Beleihbarkeit wie die Veräußerbarkeit sind abstrakt möglich, werden aber in der Praxis für nahezu unmöglich gehalten.
Die Verwertbarkeit eines Grundstücks durch freihändigen Verkauf kann im Einzelnen durch die Verfügungsbeschränkung des § 747 S. 2 BGB ausgeschlossen sein. Die Verwertung von unbeweglichen Vermögen muss ggf. durch Zwangsversteigerung (§ 453 BGB i.V.m. §§ 180 ff. ZVG) erfolgen.
Rz. 247
Ist der Aufhebungsanspruch nach § 747 Abs. 2 BGB durch Vereinbarung für immer oder auf Zeit ausgeschlossen, so kann die Aufhebung gleichwohl aus wichtigem Grund verlangt werden. Ein wichtiger Grund kann nach den Umständen des Einzelfalles bei auftretendem Finanzbedarf eines Miterben vorliegen. Fehlende Mittel zum Lebensunterhalt und die Notwendigkeit der Inanspruchnahme von Sozialhilfe stellen einen solchen wichtigen Grund dar.
Rz. 248
Nichts anderes gilt für die Erbengemeinschaft. Die Rechtsprechung hat der Erbengemeinschaft als dauerhaftes wirtschaftliches und rechtliches Verwertungshindernis eine Absage erteilt, zumal zwischen den Erben ggf. Einvernehmen hergestellt werden kann. Zum verwertbaren Vermögen gehören nach Ansicht des BSG:
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der Anteil an dem Nachlass, über den der Erbe nach §§ 2033 Abs. 1 S. 1, 1922 BGB verfügen kann |
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der Miteigentumsanteil an dem fraglichen Grundstück in ungeteilter Erbengemeinschaft |
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der Anspruch auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft (§§ 2042 ff. BGB). |
Rechtliche Hindernisse für eine Verwertbarkeit durch
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Übertragung eines Erbteils im Wege des Erbschaftsverkaufes |
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Verpfändung des Miterbenanteils gem. §§ 1273 Abs. 2, 1258 BGB |
sieht das BSG nicht, da der einzelne Miterbe zwar nicht über einzelne Nachlassgegenstände, jedoch über seinen Nachlass als solchen verfügen könne (§ 2033 Abs. 1 S. 1 BGB). Keine Verwertungsalternative wird von vornherein als offensichtlich unwirtschaftlich angesehen. Scheidet die wirtschaftlich sinnvollste Verwertungsmöglichkeit wegen rechtlich nicht zu beseitigender Hindernisse aus, kann sich der Hilfesuchende nicht darauf berufen, die übrigen Verwertungsmöglichkeiten seien offensichtlich unwirtschaftlich, weil sie den geringeren Erlös erwarten ließen.
Rz. 249
Nach der Rechtsprechung des BSG ist jeweils festzustellen, wie die konkreten Möglichkeiten der Veräußerung des Erbteils einzuschätzen sind bzw. ob eine Verpfändung/Veräußerung des Miterbenanteils (z.B. an eine Bank) am Markt tatsächlich realisierbar ist.
Hinweis
Auf dem Markt existieren zwischenzeitlich Anbieter, die sowohl Erbanteile als auch Miteigentumsanteile ankaufen. Die Konditionen sind aber sorgfältig zu prüfen. Z.T. wird der Ankauf von einer Mindestsumme, z.B. 100.000 EUR und nicht mehr als die Hälfte des Gesamtwertes abhängig gemacht.
Eine Verwertungsmöglichkeit kann sich auch aus der letztwilligen Verfügung selbst ergeben, nämlich dann, wenn der Erblasser Teilungsanordnungen getroffen hat, die es dem Erben ermöglichen, Gegenstände aus dem Nachlass herauszulösen.
Rz. 250
Die Verwertbarkeit eines Grundstücks durch freihändigen Verkauf kann im Einzelnen durch die Verfügungsbeschränkung des § 2033 Abs. 2 BGB ausgeschlossen sein, wenn eine dauerhafte und ernstliche Weigerung des Miterben zum Verkauf vorliegt. Sind sich die Miterben aber nicht über die Vorgehensweise für die Auflösung der Erbengemeinschaft einig, so ist nach §§ 2046–2048 BGB und § 2042 Abs. 2 BGB wie in der Miteigentumsgemeinschaft die Auseinandersetzung zu betreiben.
Rz. 251
Es ist nach der Auffassung des BSG von einem Hilfesuchenden zur Abwendung von Hilfebedürftigkeit zu fordern, dass er die einvernehmliche Auflösung der Erbengemeinschaft verlangt. Ist der Hilfesuchende seinerseits an der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nicht interessiert und macht den Auseinandersetzungsanspruch nicht ernstlich geltend, so wird daraus die Feststellung abgeleitet, dass kein tatsächliches Verwertungshindernis besteht.
Fazit
Wer in der Hoffnung auf Wertsteigerung des Grundstücks oder auch aus familiärer Rücksichtnahme erklärt, er habe die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bisher nicht betrieben und beabsichtige dies auch nicht, manövriert sich damit sozialhilferechtlich ins "Aus".
Rz. 252
Dass bei einer Zwangsversteigerung nur ein geringerer Erlös zu erwarten ist, führt auch nicht dazu, die Verwertung des Grundstücks durch Zwangsversteigerung als offensichtlich unwirtschaftlich anzusehe...