Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 617
Einschränkungen der Inanspruchnahme auf Kostenersatz ergeben sich aus:
aa) § 102 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII – Grenzbetrag
Rz. 618
Bei mehreren Erben ist der Freibetrag nur ein einziges Mal vom Nachlass abzusetzen. Die "Bagatellgrenze" schützt keinen Mindestwert des Erbteils eines Miterben.
bb) § 102 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII – Abzugsposten wegen Pflege
Rz. 619
Der Abzug wegen Pflege setzte bis 31.12.2016 voraus, dass der Leistungsempfänger pflegebedürftig im Sinne des § 61 Abs. 1 SGB XII a.F. war. Der Zuerkennung einer Pflegestufe im Sinne des SGB XI a.F. oder von Pflegegeld im Sinne des § 64 Abs. 1–3 SGB XII a.F. bedurfte es aber nicht. Die einen forderten, dass die Pflege "in überwiegendem Maße" von der Pflegeperson erbracht worden sein musste, andere ließen die Pflege durch mehrere Personen zu. Einzelne Tätigkeiten sollten nicht ausreichen; die Pflege müsse so umfangreich gewesen sein, dass der für § 61 SGB XII a.F. erforderliche Umfang erreicht werde (Pflegestufe 0). Seit 1.1.2017 wird in Pflegegraden bemessen. Ein Mindestzeitraum tatsächlich erbrachter Pflege wird von der Kommentarliteratur nach wie vor nicht gefordert. Die Pflege müsse aber eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschritten haben und ohne feststehenden Endzeitpunkt erbracht worden sein. Die Empfehlungen der Sozialhilfeträger verlangen zumeist einen Mindestpflegezeitraum von sechs Monaten.
Rz. 620
Eine Pflege "bis zum Tod des Leistungsempfängers" entfällt nicht dadurch, dass der Leistungsempfänger vor seinem Tod kurze Zeit im Krankenhaus untergebracht war. Liegen die Voraussetzungen "Pflege" oder "Härte" vor, so kommen sie nur dem Miterben zugute, der sie erfüllt. Anderen Miterben kommt die Regelung über das "Nicht-Geltendmachen" nicht zugute. Der privilegierte Miterbe haftet also nur insoweit, als sein Anteil am Nachlass den geschonten Betrag übersteigt.
cc) § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII – Freistellung wegen Härte
Rz. 621
Für den Ausnahmetatbestand der besonderen Härte gelten hohe Anforderungen. Die Stellung als Ehegatte oder enger Verwandter genügt nicht, um eine Härte zu begründen. Eine besondere Härte liegt z.B. dann vor, wenn der Erbe den Erblasser gepflegt hat, aber nicht mit ihm verwandt war oder nicht in häuslicher Gemeinschaft mit ihm gelebt hat. Die Rspr. hat hier angenommen, dass eine der häuslichen Gemeinschaft vergleichbare "Nähe" auch dann bestehe, wenn die Pflegeperson unter Einsatz eigener finanzieller Mittel und erheblichem Zeitaufwand eine Entfernung "von 39 km überwindet, um die häusliche Gemeinschaft gleichsam zu ersetzen."
Rz. 622
Eine besondere Härte kann darin liegen, dass der Erbe nachhaltig den Wert des Nachlasses erhöht hat, so z.B. durch die Führung eines Schmerzensgeldprozesses über lange Zeit. Aufwendungen, die der Erbe auf einen Nachlassgegenstand gemacht hat, zieht die Rechtsprechung vom Wert des Nachlasses ab, so z.B. der Wert des Einbaus einer Heizungsanlage. Hierzu wählt sie den Weg über den Härtetatbestand. Müsste der Erbe, der Mittel für die Renovierung aufgebracht hat, gerade deshalb mehr an Sozialhilfekosten ersetzen, weil der Nachlass in Höhe seiner Aufwendungen wertvoller geworden sei, so liege darin eine besondere Härte. Zinsen und Kosten für solche Aufwendungen erhöhten aber den Nachlasswert nicht und seien deshalb nicht zu berücksichtigen. Anders ist es dann, wenn der Erbe nach dem Erbfall ein Darlehen aufgenommen hat, um das ererbte Haus zu sanieren und zu verbessern, weil die wertsteigernden Maßnahmen über einen erhöhten Veräußerungserlös zurückfließen.
Rz. 623
Eine besonders lange Verfahrensdauer – 13 Jahre – soll ebenso wenig wie der Verbrauch der Erbschaft eine besondere Härte begründen. Eine besondere Härte liegt nicht darin, dass der Erbe selbst nur geringes Einkommen besitzt oder arbeitslos ist.
Anders kann es sein, wenn der Nachlass für den Erben selbst Schonvermögen wäre. Dabei können diejenigen Kriterien maßstabsbildend herangezogen werden, die grundsätzlich für die Frage der Verwertbarkeit i.S.d. § 90 SGB XII eine Rolle spielen. Weiterhin kann eine Rolle spielen, ob der Ersatzpflichtige im Falle der Erfüllung des Ersatzanspruchs selbst sozialhilfebedürftig wird oder ob Sozialhilfebedürftigkeit droht.
Rz. 624
Eine besondere Härte ergibt sich nicht daraus, dass es sich bei dem ererbten Grundbesitz um Miteigentum an dem Haus handelt, das ein Erbe mit seinem Ehegatt...