Dr. Gudrun Doering-Striening
1. Übersicht
Rz. 49
Wer Zuflüsse aus Erbfall oder Schenkung oder Ansprüche aus einer selbst getätigten Schenkung hat, ist möglicherweise nicht bedürftig im Sinne des SGB XII. Es ist also zu prüfen, ob es sich um sozialhilferechtliches Einkommen und/oder Vermögen handelt, das aufgrund des Nachranggrundsatzes zur Bedarfsdeckung eingesetzt werden muss.
Mittel, die zufließen und sozialhilferechtlich als Einkommen zu prüfen sind, können nach dem folgenden Prüfungsschema geprüft werden.
Rz. 50
Prüfungsschema für das Einkommen:
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Handelt es sich grundsätzlich um Einkommen oder Vermögen i.S.d. SGB XII? |
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Ist das Einkommen ein grundsätzlich zur Bedarfsdeckung geeignetes Mittel? |
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Ist das Einkommen ein zur Bedarfsdeckung "bereites" Mittel? |
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Bestehen Ausnahmen von der Einkommensanrechnung i.S.v. § 82 SGB XII oder anderer Normen (z.B. Conterganstiftungsgesetz)? |
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Mindern Abzugsposten das Einkommen nach § 82 Abs. 2, Abs. 3 SGB XII? |
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Handelt es sich um eine "geschonte" Zuwendung mit Zweckbestimmung i.S.v. § 83 Abs. 1 SGB XII? |
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Handelt es sich um eine "geschonte" Entschädigung i.S.v. § 253 BGB? |
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Handelt es sich um eine "geschonte" Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege i.S.v. § 84 Abs. 1 SGB XII? |
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Handelt es sich um eine "geschonte" Zuwendung ohne rechtliche oder sittliche Verpflichtung i.S.v. § 84 Abs. 2 SGB XII? |
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Kommt eine Verschonung aus allgemeinen Härtefallgründen nach § 83 Abs. 3 S. 3 SGB XII in Betracht? |
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Ist der Einkommenseinsatz für Maßnahmen für spezielle Bedarfe, z.B. für stationäre Unterbringung begrenzt (§ 92 SGB XII)? |
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Ist der Einkommenseinsatz nach den Schongrenzen der §§ 85, 87, 88 SGB XII zumutbar? |
2. Was versteht man unter Einkommen (§§ 82 ff. SGB XII)?
Rz. 51
Was sozialhilferechtlich unter Einkommen verstanden wird, ergibt sich in einem ersten Schritt aus § 82 SGB XII und der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII, ergänzt in einem 2. Schritt durch eine Vielzahl von Besonderheiten der modifizierten Zuflusstheorie.
Zu den Einkünften gehören nach § 82 SGB XII und § 1 DVO zu § 82 SGB XII:
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alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert |
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ohne Rücksicht auf ihre Herkunft |
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ohne Rücksicht auf ihre Rechtsnatur |
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ohne Rücksicht darauf, ob die Einkünfte zu den Einkunftsarten i.S.d. Einkommensteuergesetzes gehören |
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ohne Rücksicht darauf, ob sie der Steuerpflicht unterliegen oder nicht. |
Rz. 52
Es gilt also eine denkbar weite Einkommensdefinition. Das sind "alle eingehenden Einnahmen, Zahlungen, Zuflüsse, Zuwendungen und anderen Leistungen." Es kommt auf die Gesamtvermögensmehrung an, und deshalb sind bloße Umschichtungen bzw. Erlöse aus der Verwertung von Vermögen nicht als Einkommen zu behandeln.
Einkünfte können in fortlaufend regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen vereinnahmt werden. Sie können wiederkehrende oder einmalige Einnahmen, wie z.B. Schenkungen, sein.
Der Zufluss von Barmitteln im Bedarfszeitraum (in der Grundsicherung nach § 41 SGB XII ist es korrekterweise der Antragszeitraum) ist sozialhilferechtlich dem Grunde nach immer einkommensrelevant.
Rz. 53
Das Gesetz stellt aber auch auf Mittel in Geldeswert ab, also auf alles, was mit einem irgendwie gearteten Marktwert verbunden ist und sich in Geld tauschen lässt. Dazu gehören zuwachsende Forderungen, Rechte und Sacheinnahmen. Darunter fallen vor allem auch Sachbezüge im Sinne des Sozialversicherungs- und Steuerrechts. Darunter sollen aber auch "Sachbezüge" wie die Nutzung eines von einem Dritten kostenlos überlassenen Pkw fallen. Das ist aber streitig. Die Auffassung, die dies ablehnt und keine Einnahme in Geldeswert etwa in Höhe des im Regelsatz enthaltenen Anteils für Mobilität berücksichtigt, lässt aber Zuwendungen zur Bewirtschaftung des Kfz durch Zuwendungen in Geld als Einkommen gelten, das aber ggf. nach § 84 Abs. 2 SGB XII von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen ist.
Rz. 54
Die sozialhilferechtliche Rechtsprechung und Kommentierung sehen – losgelöst von zivilrechtlichen Begriffen – jedenfalls in Sachwerten (Autos, Schmuck, Lotteriegewinne, wie z.B. eine Reise etc.), die während des Bedarfszeitraumes "zufließen", geldwerte Einkünfte. Auch Immobilien können im SGB XII nach der sozialhilferechtlichen Zufluss-Rechtsprechung als Einkommen und damit nach den Einkommensregeln des sozialhilferechtlichen Leistungsverhältnisses "verarbeitet" werden.
Rz. 55
Zivilrechtlich oder steuerrechtlich ist die Einordnung eines Sachwertes als Einkommen unverständlich. Im Sozialhilferecht ergibt sich dies aus dem Nachranggrundsatz und seinen Durchbrechungen. Das Selbsthilfeprinzip gebietet es, den Einsatz wertmäßiger Zuwächse (Einkommen) auf jeden Fall zu verlangen, während der Bestand an Werten vor Hilfebedürftigkeit günstiger behandelt werden soll (Vermögen).
Hinweis
Die rechtliche Bewertung als Einkommen ist nur ein Teil der Einkommensprüfung. Nach den Strukturprinzipien des Sozialhilferechts müssen diese Mittel immer gleichzeitig auch bedarfsdeckungsgeeignete "bereite" Mittel sein. Im hier vergleichbar anzusehenden SGB II spricht das BSG davon, das...