Dr. Gudrun Doering-Striening
1. Einführende Hinweise
Rz. 139
Hinweis
Die nachfolgenden Beispiele gelten wegen der unterschiedlichen Einkommensdefinitionen im SGB II und SGB XII und erst recht in Gesetzen, die keinen Bezug zum Einkommensbegriff des Einkommens im Sinne des SGB XII herstellen, nur für SGB XII-Fälle, nicht aber für SGB II-Fälle.
Wenn nachfolgend gleichwohl SGB II-Entscheidungen zitiert werden, dann rechtfertigt sich das vor dem Hintergrund, dass das SGB II bis zum 31.7.2016 Einkommen genauso wie das SGB XII als Zuflüsse im Bedarfs-/Antragszeitraum in Geld oder Geldeswert verstand.
Rz. 140
Entscheidungen aus dem SGB II, die den Leistungszeitraum ab 1.8.2016 betreffen, sind nicht mehr ohne ausdrückliche Prüfung auf SGB XII-Fälle übertragbar. SGB XII-Fälle sind umgekehrt auch nicht mehr auf Fallgestaltungen seit dem Beginn des Leistungszeitraums ab dem 1.8.2016 übertragbar.
Prüfungshinweis
In jedem Einzelfall muss die Prüfung immer mit der Frage beginnen: "Ist es Einkommen oder ist es Vermögen?" Nicht die zivilrechtliche Rechtsqualität entscheidet, sondern der Zufluss nach Maßgabe der modifizierten Zuflusstheorie mit seinen vielfältigen Ausnahmen.
Dazu muss geprüft werden:
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Beginn des Bedarfszeitraums/ggf. Tag der Antragstellung |
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Wann erfolgte der Zufluss konkret? |
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Gilt der tatsächliche Zufluss oder wird das Ergebnis durch einen "normativen" Zufluss (z.B. Erbschaft) korrigiert? |
2. Freiwillige Zuwendungen Dritter – Schenkung oder Darlehen?
Rz. 141
Das BSG unterscheidet bei freiwilligen Zuwendungen Dritter zwischen
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Geldzahlungen oder Sachleistungen, die einem Leistungsberechtigten zum endgültigen Verbleib zugewendet werden, |
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einem Darlehen, das mit einer Rückzahlungsverpflichtung im Sinne des BGB gegenüber dem Darlehensgeber belastet ist und |
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Zuwendungen Dritter, die eine rechtswidrig abgelehnte Leistung eben wegen der Ablehnung bis zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes substituieren sollen. |
Eine Zuwendung zum endgültigen Verbleib (Schenkung) ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich bedürftigkeitsmindernd. Dass Geldgeschenke auch von Verwandten und Freunden Einkommen im Sinne des Sozialhilferechts sind, ist nicht wirklich streitig. Bereits zum Arbeitslosenhilferecht wurde eine Schenkung zweier Tanten an ihren langjährig arbeitslosen Neffen in Höhe von 70.000 DM als Einkommen angesehen.
Rz. 142
Für die Schenkung bspw. eines Pkw (damals als Vermögen zugeordnet) ist das BVerwG ausdrücklich der Auffassung entgegengetreten, die Zuwendung eines Pkw sei angemessener Hausrat oder gar wegen eines Schenkungstatbestandes privilegiert: "Insbesondere lässt sich nicht in einer verallgemeinerungsfähigen Weise sagen, dass ein Pkw, nur weil er einem Bedürftigen geschenkt worden ist, unter dem Gesichtspunkt der Härte von einem Vermögenseinsatz auszunehmen wäre."
Andererseits gibt es auch Entscheidungen, bei denen es so scheint, als seien Zuwendungen Dritter durchaus sozialhilfeunschädlich. So hatte z.B. das LSG Hessen im Rahmen der Eingliederungshilfe über die Verwertung eines Bausparvertrages (§ 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII) zu entscheiden, mittels dessen ein behinderter Mensch den Erwerb einer Eigentumswohnung möglich mache wollte. Dessen Eltern hatten sich ergänzend verpflichtet, den zur Finanzierung einer solchen Wohnung fehlenden Betrag zuzusteuern. Das LSG Hessen sah die "vertragliche Selbstverpflichtung der Eltern und deren großzügige Unterstützung" beim Erwerb einer Eigentumswohnung – die nichts anderes als eine Schenkung darstellte – als nicht anspruchsvernichtend an, sondern im Gegenteil als Garantie dafür, dass der Eigentumserwerb "die Gewissheit der Umsetzung hatte und nicht im Stadium eines Gedankenspiels blieb". Sonst wären die Eigenbemühungen des Hilfesuchenden zum Scheitern verurteilt.
Rz. 143
Wie nicht selten in solchen ergebnisorientierten Entscheidungen findet sich dort keine saubere dogmatische Ableitung. Das Ergebnis lässt jedenfalls keinesfalls den Schluss zu, dass eine freiwillige Zuwendung Dritter – und sei es auch deshalb, weil der Zuwendungsempfänger ein Mensch mit Behinderung ist – generell kein sozialhilfeschädliches Einkommen oder kein Vermögen darstellt. Erst bei einer Einzelfallprüfung mit der nachfolgenden Frage, ob das an sich anrechnungsfähige Einkommen oder Vermögen "normativ geschont" ist – was z.B. der Fall sein kann, wenn wegen Zweckverfehlung eine Härte angenommen werden kann – kann die Frage beantwortet werden, ob dieses Einkommen oder Vermögen ausnahmsweise nicht sozialhilfeschädlich ist. So ist nach der Rechtsprechung die dauerhafte Zuwendung eines Dritten im Bedarfszeitraum Einkommen, das nach den §§ 82 ff. SGB XII in jedem Einzelfall auf seine Schontatbestände zu prüfen ist (z.B. § 84 SGB XII).
Rz. 144
Darlehen, die an den Darlehensgeber zurückzuzahlen sind, stellen dagegen als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistungen kein Einkommen dar, auch wenn sie als "bereites Mittel" zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts verwandt werden könnten.
Zwischen anrechnungsfreiem Darlehen und "einkommensgleicher Unterhaltsunterstützung" oder Sc...