Dr. Gudrun Doering-Striening
1. Übersicht
Rz. 308
Das SGB XII stellt grundsätzlich nicht sämtliches Vermögen, das nach der obigen Prüfung als verwertbares Vermögen verbleibt, zur Anrechnung. Die Sozialhilfe darf nach § 90 Abs. 2 SGB XII nicht abhängig gemacht werden:
1. |
von einem Vermögen, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird, |
2. |
von einem nach § 10a oder Abschnitt XI EStG geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 EStG; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Abs. 5 S. 3 SGB XII erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Abs. 4 und 5 SGB XII anzuwenden, |
3. |
von einem sonstigen Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit erheblichen Teilhabeeinschränkungen (§ 99 des Neunten Buches SGB XII) oder von blinden Menschen (§ 72 SGB XII) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61 SGB XII) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde, |
4. |
von angemessenem Hausrat; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen, |
5. |
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind, |
6. |
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde, |
7. |
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist, |
8. |
von der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 SGB XII genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes, |
9. |
vom Einsatz kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen. |
In § 90 Abs. 2 Nr. 1–9 SGB XII werden Schonvermögenstatbestände, also "normative Schutzschirme" gegen den Nachranggrundsatz definiert. Nicht alle spielen bei Erbfall und Schenkung eine praktische Rolle.
2. Altersvorsorgekapital – § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII
Rz. 309
Manchmal überlegen Schenker, Erblasser oder Testamentsvollstrecker, ob es nicht gut wäre, für den bedürftigen Menschen vorsorglich Altersvorsorge durch Abschluss einer Versicherung zu betreiben. Beschenkte und erbrechtlich Begünstigte überlegen manchmal, die ihnen zugeflossenen Mitteln in eine solche Altersversorgung zu investieren. Wenn ein unmittelbar Berechtigter des Altersvorsorgevertrages der Bedürftige ist, so ist das gefährlich. Nur soweit das Altersvorsorgevermögen bereits bei Eintritt der Bedürftigkeit schon vorhanden war, kann unmittelbar von Vermögen ausgegangen werden. Im SGB XII sind Zuflüsse während des Bedarfszeitraums/Antragszeitraums aber Einkommen und nicht Vermögen. Es gelten dann bei ungeschütztem Altersvorsorgekapital die §§ 82 ff. SGB XII. Erst später kann sich Einkommen in Vermögen umwandeln. Erst dann findet § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII Anwendung.
Hinweis
Bezieht ein Bedürftiger nur SGB IX-Leistungen, dann ist eine Zuwendung aus Erbfall oder Schenkung von vorneherein nur Vermögen, für das die Verweisung des § 139 Abs. 1 S. 2 SGB IX auf § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII gilt. Im SGB II gilt § 12 Abs. 2 Nr. 2 und die Sonderregel der Ziffer 3, die für Unverwertbarkeitsvereinbarungen gilt.
Rz. 310
Nach § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII ist ein Kapital geschont, das der Altersvorsorge im Sinne des § 10a oder des XI. Abschnitts EStG dient und dessen Ansammlung staatlich gefördert wurde. Auch die Erträge dieses Kapitals sind geschont. Ihr Einsatz kann von der Sozialhilfe nicht verlangt werden. Kapital, das der zusätzlichen Altersvorsorge dient, ist nur insoweit geschützt, als es aus staatlich geförderten Beiträgen im Sinne des Altersvermögensgesetzes gebildet wurde.
Rz. 311
Andere als in § 90 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII genannte Vermögensanlagen, wie z.B. Lebensversicherungen, sind nicht geschont. Allgemein gilt, dass Vermögen zum einen der Hauptleistungsanspruch gegen das Versicherungsunternehmen aus der Versicherung zum Zeitpunkt ihres Ablaufs ist, zum anderen sind Vermögen auch alle aus der vertraglichen Beziehung resultierenden Rückabwicklungsansprüche nach Auflösung eines solchen Vertrags, etwa durch eine Kündigung. Die Kündigung des Vertrages ist ebenso wie die Beleihung trotz Verwertungsausschluss eine zumutbare Verwertungsalternative. Der Wunsch, vorhandene...