Dr. Gudrun Doering-Striening
1. Tatbestandsprüfung
Rz. 344
Wenn Vermögen nicht nach § 90 Abs. 1 oder 2 SGB XII aus der Einsatz- und Verwertungspflicht herausfällt, kann eine Schonung immer noch aus Härtegründen in Betracht kommen. § 90 Abs. 3 SGB XII fordert den Vermögenseinsatz oder die -verwertung nicht, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies soll bei Leistungen nach dem 5.–9. Kapitel des SGB XII insbesondere der Fall sein, soweit
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eine angemessene Lebensführung oder |
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die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung |
wesentlich erschwert würde.
"Während die Vorschriften über das Schonvermögen typische Lebenssachverhalte regeln, bei denen es als unbillig erscheint, die Sozialhilfe vom Einsatz bestimmter Vermögensgegenstände abhängig zu machen, regelt § 90 Abs. 3 SGB XII atypische Fallgestaltungen, die mit den Regelbeispielen des § 90 Abs. 2 SGB XII vergleichbar sind und zu einem den Leitvorstellungen des § 90 Abs. 2 SGB XII entsprechenden Ergebnis führen."
Rz. 345
Die Prüfungsreihenfolge des Härtetatbestandes fordert zu Beginn die Feststellung, in welcher Form und in welchem Zeitraum eine Verwertung für die hilfesuchende Person tatsächlich und rechtlich möglich ist. Erst auf dieser Grundlage kann geprüft werden, ob die Verwertung für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde, insbesondere zu welchem Zweck das Vermögen dienen soll und ob sich aus dem Zweck Härtegesichtspunkte ergeben oder ob die Verwertung ggf. offensichtlich unwirtschaftlich ist.
Rz. 346
Die Anforderungen sind hoch. Nur besondere Umstände des Einzelfalls, nicht jedoch die allgemeinen Verhältnisse, können eine Härte begründen. Selbst ein unter Opfern geschaffenes Vermögen ist grundsätzlich nicht davon freigestellt, dass es in Notzeiten zur Steuerung der Notlage eingesetzt werden muss, sofern nicht die besonderen Vorschriften über das Schonvermögen durchgreifen. Selbst die Zugehörigkeit zu einer schwer gehandicapten Personengruppe begründet für sich genommen noch keine Härte. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Vermögenseinsatz nach den Regelvorschriften und Leitvorstellungen des Gesetzes wegen des Vorliegens einer Atypik nicht zu einem adäquaten Ergebnis führen würde. Es geht also um die atypischen und ungewöhnlichen Fälle, bei denen aufgrund
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der besonderen Art der notwendigen Hilfe |
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der Schwere und Dauer der Hilfe |
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des Alters |
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der Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit |
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des Familienstandes |
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oder sonstiger schwerer Belastungen |
die soziale Stellung des Hilfesuchenden oder seiner Angehörigen durch die Vermögensverwertung nachhaltig beeinträchtigt ist.
Rz. 347
Für Vermögen, das durch Erbfall oder Schenkung erworben wurde, ist dies regelhaft nicht, sondern nur ausnahmsweise vorstellbar. Die Herkunft eines Vermögensgegenstandes aus einem Erbfall begründet jedenfalls nicht per se eine Härte. So wie die Ursache der Not für die Sozialhilfegewährung im Grundsatz ohne Bedeutung ist, so spielt regelmäßig auch die Herkunft des Vermögens für dessen Einsatz und Verwertung keine entscheidende Rolle:
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Die Tatsache, dass es sich bei einer zur Verwertung stehenden Immobilie um das Elternhaus des Hilfesuchenden handelt, ist als Härte nicht anerkannt worden. |
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Auch bei einem ererbten Schmerzensgeldanspruch, der beim Erblasser geschont war, hat die Rechtsprechung den Schonvermögenscharakter pauschal abgelehnt. |
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Der drohenden Suizidgefahr im Falle der Verwertung eines Vermögenswertes hat das LSG NRW entgegengesetzt, dass auf die für solche Gefahren vorgesehene Hilfsmaßnahmen verwiesen werden müsse. Solche Maßnahmen seien im sozialhilferechtlichen Regelungsgefüge nicht zu verorten und könnten dieses Gefüge auch nicht konterkarieren. |
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Die Verwertung eines Vermögensgegenstandes des Ehegatten, der in Gütertrennung mit dem Hilfebedürftigen lebt, begründet keine Härte. |
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Die bloße Absicht, das Kapital für die Altersversorgung zu verwenden, führt nach der Rechtsprechung nicht dazu, das Kapital aus dem verwertbaren Vermögen herauszunehmen. Im Einzelfall kann eine Härte – z.B. bei Selbstständigen – aber möglich sein. |
Rz. 348
In Einzelfällen kann die Herkunft des Vermögens dieses aber auch so prägen, dass seine Verwertung eine Härte darstellen kann. Bedeutsam für die Härtefallprüfung sind solche Sachverhalte, bei denen vom Sozialhilfebezieher Einkommen angespart oder aus sonstigen Gründen erworben wurde, das nach §§ 82 ff. SGB XII ausnahmsweise ganz oder teilweise nicht zur Deckung des sozialhilferechtlichen Bedarfs herangezogen wird. Dazu gehören z.B.:
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die Nachzahlung einer Grundrente nach dem BVG |
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das angesparte Erziehungsgeld für die Dauer des Förderungszeitraums |
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das Blindengeld wegen fortdauernden allgemeinen Mehrbedarfs |
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das angesparte Schmerzensgeld. |
Rz. 349
Unterschiedliche – aber tendenziell ablehnende – Auffassungen bestehen darüber, ob angesparte Mittel aus laufender Sozialhilfe als Schonvermö...