Rz. 2
Voraussetzung für eine Nachlasspflegschaft sind ein Sicherungsanlass und ein Sicherungsbedürfnis.
I. Sicherungsbedürfnis
Rz. 3
Über das Vorhandensein eines Fürsorgebedürfnisses hat das Nachlassgericht von Amts wegen zu prüfen und nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Abzustellen ist dabei auf das Interesse des endgültigen Erben an der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses. Die Prüfung der Anordnung einer Nachlasspflegschaft erfolgt im FamFG-Verfahren.
Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Bedürfnis der Fürsorge für die Sicherung des Nachlasses auftritt, § 344 Abs. 4 FamFG. Die internationale Zuständigkeit folgt dabei aus der örtlichen Zuständigkeit, § 105 FamFG. Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger, § 3 Nr. 2 lit. c RPflG, sofern kein Richtervorbehalt nach § 16 RPflG besteht.
Auch im Zivilprozess kann die Bedürfnisprüfung eine Rolle spielen, z.B. in einem Rechtsstreit, den ein Nachlasspfleger führt.
Ist ein Testamentsvollstrecker oder ein Bevollmächtigter vorhanden, dessen Vollmacht über den Tod hinausreicht, wird ein Fürsorgebedürfnis meistens zu verneinen sein.
II. Unbekannter Erbe
Rz. 4
Voraussetzung für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft ist, dass der Erbe unbekannt ist.
Dies ist bei folgenden Konstellationen denkbar:
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erhebliche, nicht sofort entkräftbare Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers bei Vorliegen eines Testaments |
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Streit zwischen mehreren Erbprätendenten über die Erbfolge |
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Unklarheit über die Wirksamkeit einer Erbschaftsausschlagung |
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beachtliche Unwirksamkeitsgründe bspw. bei evtl. Sittenwidrigkeit eines Testaments |
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die Vaterschaft eines nichtehelichen Kindes ist beim Erbfall noch nicht festgestellt; u.U. auch bei Unklarheit über die Höhe der Erbquoten |
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der Erbe ist vor dem Erbfall gezeugt, aber noch nicht geboren (§ 1923 Abs. 2 BGB "nasciturus"); die lediglich theoretische Annahme, es könnten weitere bisher unbekannte Kinder geboren oder gezeugt sein, reicht nicht aus |
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bei Einsetzung einer genehmigungspflichtigen Stiftung zur Erbin ist bis zur Erteilung der Genehmigung die Erbfolge unklar. |
Rz. 5
Ist die Wirksamkeit der Annahme der Erbschaft bzw. deren Anfechtung zweifelhaft, so besteht eine Ungewissheit über die Erbschaftsannahme im Sinne des § 1960 Abs. 1 S. 2 BGB. Insbesondere in den Fällen, in denen die Annahme der Erbschaft angefochten wird (§§ 1954, 1956 BGB), ist ungewiss, ob der Erbe die Erbschaft angenommen hat. Darüber ist letztlich in einem Erbscheinsverfahren oder in einem Erbenfeststellungsprozess zu entscheiden.