Rz. 109

Der Erbe übernimmt alle Rechte und Pflichten des Erblassers. Dieses gilt in der analogen und digitalen Welt gleichermaßen, da nach § 1922 BGB Gesamtrechtsnachfolge eintritt. Bei der Bearbeitung von Nachlassfällen steht immer mehr im Fokus, was der Erblasser an digitalen Hinterlassenschaften hatte. Dieses betrifft neben technischer Ausstattung auch Fragen seiner Aktivität im Internet. Bislang hat sich noch keine einheitliche Meinung herausgebildet und auch der Gesetzgeber hat noch nicht normiert, wie der digitale Nachlass eines verstorbenen Menschen zu behandeln ist.[130] In ausführlicher Definition ist der digitale Nachlass die Gesamtheit der Rechtsverhältnisse des Erblassers betreffend informationstechnischer Systeme, einschließlich des gesamten elektronischen Datenbestandes des Erblassers.[131] Dazu gehören Hard- und Software des Erblassers, seine Internetzugänge sowie alle lokal oder im Internet gespeicherten Daten, wie etwa E-Mails, Blogs, Fotos und Videos. Auch sämtliche Vertragsbeziehungen des Erblassers im Internet und die Onlineabwicklung von Vertragsmodalitäten zählen zum digitalen Nachlass.[132] Daher gehört grundsätzlich der digitale Nachlass zur Erbschaft und ist insofern durch den Nachlasspfleger zu berücksichtigen.

 

Rz. 110

Mit zunehmender Tendenz haben dreiviertel aller Menschen in Deutschland inzwischen Bezüge in das Internet. Profile in sozialen Netzwerken, Onlinebanking, Kundenkonten bei Internethändlern, eine Homepage, E-Mail-Accounts etc. Fast jeder zweite Bundesbürger besitzt inzwischen ein Smartphone (Tendenz steigend, siehe auch § 2 Rdn 37 ff.) und ist bei Apple, Google oder anderen Anbietern damit registriert. Nahezu alle Beziehungen erfordern hierzu neben einem Kundenkonto, das meist aus der Mailadresse besteht, auch Passwörter. Der Nachlasspfleger steht daher nicht nur vor dem Problem, die Beziehungen des Erblassers in das Internet aufzuspüren, sondern ggf. auch die Passwörter des Erblassers zu finden. Dieses erweist sich als nahezu unmöglich, wenn der Erblasser die Zugangsdaten nicht notiert hat oder diese nicht auffindbar sind. Der Nachlasspfleger hat die Kundenbeziehungen des Erblassers zu beenden und Verträge zu kündigen. Die mit Internetanbietern geschlossenen Verträge des Erblassers laufen weiter, wenn sie nicht gekündigt werden. Daher bestehen für den Nachlasspfleger Probleme, für die nicht immer sofort eine Lösung zu finden ist. Wichtig ist, ggf. den Zahlungsverkehr zu stoppen, da dieses in der Regel dazu führt, dass der Internetanbieter sich mit seinem Kunden in Verbindung setzt. Meistens werden Leistungen bei Internetanbietern mit Kreditkarte, SEPA-Mandat für Girokonten, PayPal etc. bezahlt. Letztlich münden alle Bezahlmethoden darin, dass Beträge vom Girokonto des Erblassers abgebucht werden. Insofern empfiehlt es sich, Kreditkarten und Konten des Erblassers für Abbuchungen zu sperren und so zu verhindern, dass weitere Zahlungen erfolgen können.

 

Rz. 111

Weiterhin sollte der Nachlasspfleger veranlassen, dass Abbuchungen, die Internetdienstleistungen betreffen, innerhalb der zulässigen Frist von acht Wochen vom Geldinstitut zurückgebucht werden. Infolgedessen ist zu erwarten, dass sich der Internetanbieter meldet. Gehen seine Mails an den Erblasser ins Leere, ist im nächsten Schritt zu erwarten, dass postalisch Kontakt aufgenommen wird. Diese Post wird über den grundsätzlich einzurichtenden Postnachsendeantrag an den Nachlasspfleger weitergeleitet, der dadurch in die Lage versetzt wird, den Internetanbieter zu kontaktieren und das Vertragsverhältnis zu kündigen.

 

Rz. 112

Des Weiteren stellt sich die Frage, was mit den Daten des Erblassers im Internet passiert. Die Handhabung bezüglich der Daten, die sich auf der Festplatte des Computers oder im Smartphone befinden, ist unproblematisch. Wie andere Nachlassgegenstände, befinden sich diese meist in der Nachlasswohnung und sind für den Nachlasspfleger verfügbar. Soweit es möglich ist, sich Zugang zu den Daten zu verschaffen, können die Daten durchgesehen und erforderliche Schritte veranlasst werden. Datenträger (Festplatten, optische Speichermedien, USB-Sticks, etc.) im Nachlass gehen auf den Erben über. Anders verhält es sich bei den Daten, die der Erblasser im Internet gespeichert hat. Diese Daten gehören zunächst dem Anbieter der Web-Dienstleistung. Hierbei kann es sich beispielsweise um Profile in sozialen Netzwerken, E-Mail-Accounts, Daten in externen Speichern (Cloud), PayPal Guthaben, virtuelle Adressbücher, Kundenkonten verschiedenster Anbieter, Beiträge in Internetforen, vom Erblasser in das Internet eingestellte Fotos etc. handeln. Wie zu verfahren ist und wem die Rechte an den Daten zustehen, ist Teil der jüngsten Rechtsentwicklung. Nach einer Entscheidung des LG Berlin steht den Erben jedenfalls ein Recht zum Zugang zu den entsprechenden Benutzerkonten zu.[133] Es bedarf im Einzelfall der Klärung, was der Nachlasspfleger veranlassen sollte.

 

Rz. 113

Die Praktiken der internationalen Anbieter, was im Falle des Tode...

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