Rz. 406

War der Erblasser Versicherungsnehmer und die versicherte Person eine Lebensversicherung,[319] sollte der Nachlasspfleger die gegebenenfalls im Nachlass aufgefundene Versicherungspolice genau prüfen. Ist eine Police im Nachlass nicht aufgefunden worden, sollte eine Kopie des Versicherungsscheins sowie eine Kopie der Mitteilung an das Erbschaftsteuerfinanzamt von der Versicherungsgesellschaft angefordert werden. Sollte die Versicherungssumme bereits ausgezahlt worden sein, hat der Nachlasspfleger zu erfragen, wie viel wann an wen ausgezahlt wurde aufgrund eines Bezugsrechtes oder gegen Vorlage der Versicherungspolice. Der Nachlasspfleger hat Anspruch auf Auskunft gegen die Lebensversicherung, zu wessen Gunsten Bezugsrechte bestanden bzw. bestehen sowie wann, an wen und in welcher Höhe aufgrund dieser Bezugsberechtigungen geleistet wurde.[320]

 

Rz. 407

Handelt es sich um eine Risikolebensversicherung, tritt der Versicherungsfall mit dem Tod der versicherten Person ein. Fällig wird lediglich die Versicherungssumme. Besteht eine Kapitallebensversicherung, werden neben der Versicherungssumme Gewinnanteile fällig. Der Todesfall stellt den Versicherungsfall dar

[319] Überblick bei Leitzen, RNotZ 2009, 129 ff. sowie Eulberg/Ott-Eulberg/Halaczinsky, Die Lebensversicherung im Erb- und Erbschaftsteuerrecht, 2. Aufl. 2011.
[320] OLG Saarbrücken v. 3.3.2010 – 5 U 233/09, NJW-RR 2010, 1333 = ZEV 2010, 420.

I. Keine Bezugsberechtigung

 

Rz. 408

Ist keine Bezugsberechtigung verfügt, fällt der Anspruch gegen die Versicherung in den Nachlass[321] und kann vom Nachlasspfleger eingezogen werden. Die Annahme der Leistung durch den Nachlasspfleger bedarf zur Wirksamkeit bei Beträgen über 3.000 EUR der nachlassgerichtlichen Genehmigung, §§ 1812, 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB. In der Praxis sehen die Versicherungen diesen Genehmigungstatbestand regelmäßig nicht und zahlen ohne Vorlage der Genehmigung aus.

[321] BGH v. 8.2.1960 – II ZR 136/58, BGHZ 32, 44 = NJW 1960, 912.

II. Bezugsberechtigung zugunsten konkret benannter Dritter

 

Rz. 409

Der Nachlasspfleger hat unverzüglich zu prüfen, ob der Versicherungsvertrag eine so genannte Bezugsberechtigung gemäß §§ 328, 330, 331 BGB enthält. In diesen Fällen ist im Rahmen eines Lebensversicherungsvertrages die Zahlung der Versicherungssumme an einen Dritten dergestalt vereinbart worden, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwerben soll, die Leistung zu fordern, §§ 159, 160 VVG. Das Bezugsrecht entsteht mit dem Tod des Versicherungsnehmers. Bei Vorliegen eines wirksamen Bezugsrechtes fällt die Versicherungsleistung nicht in den Nachlass.[322]

 

Rz. 410

Der Bezugsberechtigte leitet seinen Anspruch gegen die Versicherungsgesellschaft auf Zahlung der Versicherungssumme allein aus dem Lebensversicherungsvertrag (Deckungsverhältnis) ab. Dieser Anspruch gehört mithin nicht zum Vermögen des Erblassers. Die Erben des Erblassers können nach Eintritt des Versicherungsfalles das Bezugsrecht nicht mehr widerrufen. Der Nachlasspfleger hat jedoch zu beachten, dass unter Umständen die in der Zuwendung des Bezugsrechtes liegende Schenkung des Erblassers an den Bezugsberechtigten (Valutaverhältnis) widerrufen werden kann. Es handelt sich um ein Dreiecksverhältnis.

 

Rz. 411

Zwischen dem Versicherungsnehmer (Erblasser) und der Versicherungsgesellschaft besteht ein Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall. Aus diesem Versicherungsverhältnis verpflichtet sich die Versicherungsgesellschaft gegenüber dem Erblasser, im Todesfall an den Begünstigten (Bezugsberechtigten) zu leisten. Der Bezugsberechtigte erwirbt den Anspruch nicht aus dem Nachlass, sondern er erwirbt aus dem Versicherungsvertrag einen direkten Zahlungsanspruch gegen die Versicherungsgesellschaft. Insoweit ist er Inhaber dieses Anspruches auf die Versicherungsleistung auch für den Fall, dass er von der Bezugsberechtigung nichts weiß.

 

Rz. 412

Im Verhältnis zwischen dem Erblasser und dem Bezugsberechtigten muss aber ein Rechtsgrund vorliegen, dass dieser die Leistung aus dem Versicherungsvertrag behalten darf. Im Regelfall kann eine Schenkung vorliegen. Eine Schenkung liegt dann vor, wenn Schenker und Beschenkter darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgen soll (§ 516 BGB). Haben sich Erblasser und Bezugsberechtigter bereits zu Lebzeiten des Erblassers über die Schenkung verständigt und hat der Erblasser den Bezugsberechtigten darüber informiert, dass zugunsten des Bezugsberechtigten mit der Versicherungsgesellschaft ein Bezugsrecht vereinbart ist, wird der Erwerb des Anspruches auf die Versicherungsleistung mit dem Tod des Erblassers im Verhältnis zu den Erben zugunsten des Bezugsberechtigten bindend. Hat der Bezugsberechtigte aber keine Kenntnis von der "Schenkung" bzw. dem Bezugsrecht, haben sich der Erblasser (zu Lebzeiten) und der Bezugsberechtigte noch nicht über die Unentgeltlichkeit der beabsichtigten Zuwendung geeinigt. Es liegt dann keine wirksame Schenkungsabrede vor. In diesen Fällen gilt die Versicherungsgesellschaft konkludent als beauftragt, dem Bezugsberechtigten das Schenkungsangebot des Erblassers zu übermitteln.[3...

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