Rz. 512

Mit Urteil vom 17.12.2014[396] hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts §§ 13a, 13b und 19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht hatte insbesondere die Verschonungsregeln für Betriebsvermögen bei großen Vermögen als zu weitgehend betrachtet. Das Erbschaftsteuerrecht sieht eine Verschonung des Betriebsvermögens in Höhe von 85 % vor, wenn innerhalb von fünf Jahren der vierfache Betrag der durchschnittlichen Jahreslöhne gezahlt (400 %) und der Betrieb weitergeführt wurde. Die Verschonung konnte auf 100 % erhöht werden, wenn die Lohnsumme 700 % betrug und der Betrieb sieben Jahre gehalten wurde. Zudem kritisierte das BVerfG die Lohnsummenregelung, die erst bei Unternehmen ab 20 Mitarbeitern greift sowie die vielfältigen Umgehungsmöglichkeiten. Das BVerfG hatte den Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 30.6.2016 für eine verfassungskonforme Neuregelung zu sorgen.

Der Bundestag hat am 24.6.2016 mit großer Mehrheit die Anpassung der Erbschaft- und Schenkungsteuer an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts beschlossen. Gegenstand war der Gesetzentwurf der Regierung zur "Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" (BT-Drucks 18/5923, 18/6279) mit den Änderungen nach der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucks. 18/8911).

Der Bundesrat hat in seiner 947. Sitzung am 8.7.2016 jedoch beschlossen, zu dem Gesetz gemäß Art. 77 Abs. 2 GG die Einberufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel der grundlegenden Überarbeitung zu verlangen.

Am 22.9.2016 hat der Vermittlungsausschuss schließlich eine Einigung erzielt, die noch von Bundestag und Bundesrat bestätigt werden muss (Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 22.9.2016 – BT-Drucksache 18/9690). Die Gesetzesänderung soll rückwirkend zum 1.7.2016 in Kraft treten.

Die erarbeiteten höchst komplexen Regelungen sehen weiterhin umfassende Steuerbefreiungen vor. Bei Großvermögen erfolgt jedoch eine individuelle Verschonungsbedarfsprüfung oder alternativ eine Vergünstigung nach einem Verschonungsabschlagmodell. Für Familienunternehmen wurden Sonderregelungen eingeführt.

Die Neufassung wirft verfassungsrechtliche Bedenken auf. Dementsprechend wird die Halbwertszeit des neuen Rechts bereits vor Inkrafttreten als eher gering eingeschätzt.[397]

[396] BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl II 2015, 50.
[397] Bäuml, NWB 2016, 2985.

aa) Mitteilungen an das Finanzamt

 

Rz. 513

Im Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) und in der Erbschaftsteuerdurchführungsverordnung (ErbStDV) sind eine Fülle von Anzeigepflichten festgelegt. Auf diese Weise kann das Finanzamt unter anderem überprüfen, ob die Angaben des Erben, Nachlasspflegers usw. in der Erbschaftsteuererklärung zutreffen.

(1) Mitteilungen des Standesamtes

 

Rz. 514

Jeder Todesfall ist dem Standesamt anzuzeigen (§ 28 PStG). Das Standesamt muss die Todesfälle listenmäßig demjenigen Finanzamt mitteilen, welches für die Erbschaftsteuer zuständig ist (sog. Totenliste), § 34 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG, § 4 Abs. 1 ErbStDV.

(2) Mitteilungen der Banken, Lebensversicherungen, Aktiengesellschaften

 

Rz. 515

Banken und Sparkassen sind gewerbsmäßig Vermögensverwalter. Sie haben innerhalb eines Monats ab Kenntnis vom Todesfall dem Finanzamt (Erbschaftsteuerstelle) auf einem Formblatt (Muster 1 zu § 1 ErbStDV) mitzuteilen:

die Konten mit Kontonummer,
den Guthabens- oder Schuldenstand auf diesen Konten,
die Wertpapiere im Depot (z.B. in Form eines Depotauszugs) mit dem Kurswert am Todestag (§ 33 Abs. 1 ErbStG).
Weiter ist mitzuteilen, ob der Verstorbene ein Schließfach hatte. Geht gemäß den Anordnungen des Erblassers das Guthaben mit dem Tod auf eine bestimmte Person über (Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall) ist auch dies dem Finanzamt mitzuteilen. Die Mitteilung darf unterbleiben, wenn der Gesamtwert der anzuzeigenden Wirtschaftsgüter 5.000 EUR nicht übersteigt (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 ErbStDV).
 

Rz. 516

Lebensversicherungsunternehmen oder Sterbekassen haben, bevor sie Versicherungssummen an (nicht mit dem Versicherungsnehmer identische) Bezugsberechtigte auszahlen, dies dem Finanzamt mitzuteilen (§ 33 Abs. 3 ErbStG); bei Kapitalversicherungen bis 5.000 EUR kann dies unterbleiben (§ 3 Abs. 3 S. 2 ErbStDV).

 

Rz. 517

Aktiengesellschaften, welche Namensaktien ausgegeben haben, müssen dem Finanzamt Anzeige erstatten, bevor sie dem Antrag, Namensaktien eines Verstorbenen auf den Namen von Erben umzuschreiben, stattgeben (§ 33 Abs. 2 ErbStG).

 

Rz. 518

 

Praxishinweis

Der Nachlasspfleger sollte von den getätigten Mitteilungen Kopien anfordern. Die ausgewiesenen Werte können in das Nachlassverzeichnis aufgenommen werden und dienen dem Amtsgericht als Nachweis. Des Weiteren sind die Werte in eine möglicherweise abzugebende Erbschaftsteuererklärung zu übernehmen.

(3) Mitteilungen des Nachlassgerichts

 

Rz. 519

Das Nachlassgericht muss dem für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt eine Abschrift des eröffneten Testaments bzw. Erbvertrags (falls vorhanden) übersenden, sowie des Beschlusses über die Einleitung oder Aufhebung der Nachlasspflegschaft, des Erbscheins, ferner eine Abschrift ...

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