Rz. 258

Anhand des nachstehenden fiktiven praxisnahen Falles, werden regelmäßig vorkommende Eintragungen erläutert. Aus Gründen des Datenschutzes und zur vereinfachten Darstellung wurde das Grundbuchblatt "Nienberge Blatt 1085 des Amtsgerichts Münster" als Mustergrundbuch selbst erstellt. Alle dortigen Angaben sind frei erfunden.

 

Rz. 259

 

Fallbeispiel

Das Nachlassgericht in Münster hat Sie am 04.1.2016 zum Nachlasspfleger in der Erbangelegenheit

"Frank Müller, geb. am 16.9.1965, verstorben am 13.10.2015,"

letzter gewöhnlicher Aufenthalt Nienberge“

bestellt, weil die Kinder des Verstorbenen wegen vermuteter Überschuldung das Erbe ausgeschlagen haben und sicherungsbedürftiger Nachlass (u.a. Immobilie in Nienberge) vorhanden ist. Weitere Erben sind bisher nicht bekannt. Die Eltern des Erblassers sind vorverstorben.

Zu Ihrem Aufgabenkreis gehört "Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie Erbenermittlung".

Sie erhalten – nach Vorlage Ihrer Bestallungsurkunde und gegen Zahlung der Gebühr – vom Grundbuchamt in Münster eine Grundbuchblattabschrift des Grundbuches Nienberge Blatt 1085, deren Aufbau und Inhalt nachstehend im Einzelnen näher beschrieben wird.

1. Aufschrift

 

Rz. 260

Die Aufschrift des Grundbuches enthält wichtige Grundinformationen:

a. das zuständige Amtsgericht (hier: Münster)
b. Grundbuchbezirk (hier: Gemeinde Nienberge, wo sich das Grundstück befindet)
c. Blatt-Nummer als interne Registratur-Nummer des Amtsgerichts (hier: 1085)
d. Band-Nummer, mittlerweile historisch und nur bei alten Grundbüchern existent, (hier: 31)
e. Hinweis- und kennzeichnende Vermerke (z.B. Hof- bzw. Hofzugehörigkeitsvermerk, Hinweis zur Umstellung auf EDV (= Umstellungsvermerk), Erbbaugrundbuch, Wohnungsgrundbuch etc.)
 

Rz. 261

2. Bestandsverzeichnis

 

Rz. 262

Das Bestandsverzeichnis gibt Auskunft über bestimmte Informationen bzgl. Grundstücke:

a. Welche Grundstücke sind im Bestand des Grundbuches gebucht
b. Welche Herkunft hat das Grundstück
c. Welche Veränderungen sind vorgenommen worden
 

Rz. 263

Im Bestandsverzeichnis (bestehend aus Vorder- und Rückseite; aufgeteilt in insgesamt 8 Spalten) eines Grundbuchs sind in der Regel die Grundstücke eingetragen, die im Eigentum einer Person bzw. einer Personenmehrheit (z.B. GbR, Erbengemeinschaft) stehen und außerdem zu derselben Ortschaft gehören.[209]

Grundbuch und Kataster sind elektronisch vernetzt, so dass die Angaben im Liegenschaftskataster und im Grundbuch übereinstimmen sollten.

Des Weiteren findet man Hinweise zur "Wirtschaftsart und Lage" (d.h. Adresse des Grundstückes und Art der Nutzung), "Grundstücksgröße" und "Flurstücksangaben – Flur und Flurstück –". Da diese Angaben aber ungeprüft vom Katasteramt übernommen werden müssen, sollte man sich auf diese Angaben nicht immer verlassen.[210] Ob und wie ein Grundstück bebaut ist, lässt sich aus dem Bestandsverzeichnis nicht ersehen. Zur Orientierung auch zur geographischen Lage ist es notwendig die Flurkarte des Katasteramts einzusehen.

 

Rz. 264

Im Fallbeispiel war ursprünglich unter lfd. Nr. 1 ein Grundstück "Gebäude- und Freifläche in der Theresienstraße 30" in Nienberge mit einer Grundstücksgröße von 986 m2 eingetragen, welches die Eigentümer Frank und Corinna Müller im Jahr 2000 erworben haben (siehe Spalte 6):

 

Rz. 265

Das Grundstück wurde unter lfd. Nr. 2 mit neuen Vermessungsangaben – bestehend aus 2 Flurstücken (449 und 450) – eingetragen.

Das resultiert daraus, dass Familie Müller das Grundstück wegen geplanter Doppelhausbebauung geteilt und einen Grundstücksteil im Jahr 2000 verkauft hat.

[209] Die auf einem gemeinschaftlichen Grundbuchblatt gebuchten Grundstücke bleiben rechtlich selbstständig, vgl. BayObLG v. 20.7.1970 – BReg. 2 Z 21/70, BayObLGZ 1970, 163, 166.
[210] Vgl. OLG München v. 22.7.2011 – 34 Wx 148/11, DNotZ 2012, 142 = NJOZ 2012, 6 = BeckRS 2011, 21787 = MDR 2011, 1228.

3. Abteilung I

 

Rz. 266

Die Abteilung I des Grundbuches gibt Auskunft über die aktuellen und historischen Eigentumsverhältnisse betreffend die in diesem Grundbuchblatt aufgeführten Grundstücke (einseitig mit 4 Spalten).

 

Rz. 267

Ein wirksamer notarieller Grundstückskaufvertrag kommt dadurch zustande, dass sich Verkäufer und Käufer über das abzuschließende Grundstücksgeschäft vor einem Notar einigen (= sog. Auflassung) und der Eigentumswechsel im Grundbuch eingetragen wird, nachdem die Zahlung des Kaufpreises erfolgt ist.

 

Rz. 268

Wie bereits anfangs schon erwähnt, haben die Eheleute Müller im Jahr 2000 das Eigentum an dem Grundstück "Theresienstraße 30" durch "Einigung (am 1.3.2000) und Eintragung" im Grundbuch (am 15.3.2000) erworben.

 

Rz. 269

Corinna Müller ist im Jahr 2007 verstorben. Verstirbt ein (Mit-)Eigentümer, wird das Grundbuch vorübergehend "unrichtig" (= falsch), bis die Erbfolge feststeht; vorliegend wurde die Erblasserin gemäß Erbschein des Amtsgerichts Münster vom 15.2.2008 beerbt von ihrem Ehemann und ihren damals minderjährigen Kindern in Erbengemeinschaft. Für den ½ Anteil der Erblasserin am Grundstück bedeutet dies, dass eine Erbengemeinschaft nach gesetzlicher Erbfolge entsteht.

Der Nachlass (...

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