Rz. 509

Fehlen ausdrückliche vertragliche Vereinbarungen der Eheleute über die Mitarbeit, können sich Ausgleichsansprüche aus dem familienrechtlichen Vertrag sui generis (auch Kooperationsvertrag genannt) ergeben. Die Rechtsprechung greift auf diese Konstruktion immer dann zurück, wenn eine gleichberechtigte Mitarbeit nicht nachweisbar ist.

 

Rz. 510

Wann ein solcher Vertrag angenommen werden kann, erschließt sich aus zwei grundlegenden Entscheidungen des BGH, zunächst aus dem Jahr 1982[258] und folgend im Jahr 1994.[259]

 

Rz. 511

Der Entscheidung aus dem Jahr 1982 lag zugrunde, dass die Eheleute im Güterstand der Gütertrennung lebten. Der Ehemann war von Beruf Straßenbaupolier und hatte seiner Ehefrau nicht nur Geld für den Erwerb eines Hausgrundstücks zur Verfügung gestellt. Nach seiner Darstellung hatte er in seiner Freizeit auch Arbeitsleistungen in den Umbau des Hauses investiert und dadurch das Familienheim aus seiner Sicht nahezu allein erschaffen. Vor dem gemeinsamen Einzug kam es zur Trennung. Die Ehefrau zog allein mit den Kindern in das Haus ein. Der Ehemann forderte Ersatz für seine geleisteten Zahlungen und die erbrachte Arbeitsleistung.

 

Rz. 512

Noch unproblematisch löste der BGH den Ausgleich des finanziellen Beitrags als unbenannte Zuwendung. Der Rückausgleich richtete sich nach dem Grundsatz des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

 

Rz. 513

Problematisch war hingegen die rechtliche Einordnung der erheblichen Arbeitsleistungen. Der Einsatz von Arbeit führt nicht zu einer Vermögenseinbuße, somit kann sie auch nicht als Zuwendung angesehen werden.[260] Der Rückausgleich konnte daher nicht über die entwickelten Grundsätze der unbenannten Zuwendung erfolgen.

 

Rz. 514

Da die Errichtung des Familienheims allein der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft diente, kam auch der Weg über den gesellschaftsrechtlichen Anspruch aus einer Ehegatteninnengesellschaft nicht in Betracht. Hierfür hätte es eines über die Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zwecks bedurft. Der Arbeitseinsatz diente der Errichtung des Familienheims, mehr nicht.

 

Rz. 515

Auch die Annahme eines stillschweigend geschlossenen Arbeitsvertrages schied aus. Weder gab es Anhaltspunkte für die Annahme, dass für die Arbeit des Mannes eine Vergütung geschuldet sei, noch dafür, dass dies jedenfalls für das Scheitern der Ehe der Fall sein sollte.

 

Rz. 516

Einen Rückausgleich gegenseitig erbrachter Leistungen wegen Scheiterns der Ehe über das Bereicherungsrecht lehnte der BGH ebenfalls ab.

 

Rz. 517

Der Ehemann sollte aber hinsichtlich seiner weit über das Maß geschuldeten Arbeitsleistungen nicht leer ausgehen. Der BGH billigte daher dem Verhalten der Eheleute rechtsgeschäftliche Qualität in der Form eines stillschweigend geschlossenen familienrechtlichen Vertrages besonderer Art zu, dessen Geschäftsgrundlage der Fortbestand der Ehe war. Mit dem Scheitern der Ehe sei die Geschäftsgrundlage des Vertrages entfallen. Ein Ausgleich in derartigen Fällen sei geboten, wenn die Früchte der gemeinsamen Arbeit in Gestalt einer messbaren Vermögensmehrung beim anderen Ehegatten noch vorhanden sind. Und zwar nicht als Bezahlung für geleistete Dienste, sondern als angemessene Beteiligung an dem gemeinsam erarbeiteten Vermögensgegenstand.

 

Rz. 518

Damit war die Rechtsfigur des stillschweigend eingegangenen familienrechtlichen Vertrages sui generis geschaffen.

 

Rz. 519

In seiner Entscheidung aus dem Jahr 1994 wurde dann der Anwendungsbereich des Vertrags sui generis weiter ausgedehnt. War er zunächst beschränkt auf Arbeitsleistungen, die einen bestimmten Vermögensgegenstand erst schafften oder in seinem Wert verbesserten, wurde diese Einschränkung nunmehr aufgehoben.

Zitat

Leitsatz: Hat nun ein Ehegatte bei Gütertrennung durch seine Mitarbeit im Betrieb des Ehepartners dessen Vermögen vermehrt, so kann ihm nach dem Scheitern der Ehe ein Ausgleichsanspruch zustehen (Fortführung von BGHZ 84, 361).[261]

[258] BGH FamRZ 1982, 910 ff.
[259] BGH FamRZ 1994, 1167 ff.
[260] BGH FamRZ 1994, 1167.
[261] BGH FamRZ 1994, 1167.

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