Michael Brix, Alexander Erbarth
Rz. 313
Häufig verfügen Ehegatten über ein Gemeinschaftskonto. Sind Ehegatten Inhaber eines Gemeinschaftskontos, muss unterschieden werden, ob sie als Kontoinhaber einzeln oder gemeinsam über das Konto verfügen können. Je nachdem liegt ein sog. Und-Konto bzw. ein Oder-Konto vor.
aa) Und-Konto
Rz. 314
Bei einem Und-Konto sind die Eheleute nur befugt, gemeinsam über das Konto zu verfügen. Keiner der Ehepartner kann ohne den anderen Kontoverfügungen treffen, also auch keine Abhebungen allein vornehmen oder Überweisungen veranlassen.
Rz. 315
Die Kontoinhaber bilden regelmäßig eine Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB, soweit keine Gesamthandsgemeinschaft vorliegt. Sie sind Mitgläubiger im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB. Somit besteht keine Gesamtgläubigerschaft, bei der jeder Gläubiger die ganze Leistung fordern darf. Verfügungen sind daher nur über den Anteil am Kontoguthaben, nicht aber über das Guthaben selbst möglich, vgl. § 747 BGB.
Rz. 316
Und-Konten trifft man häufig bei Erbengemeinschaften an, die einen Kontoinhaber beerben. Das Und-Konto bietet zwar eine hohe Sicherheit vor nicht gewünschten Verfügungen, ist aber sehr schwerfällig. Aus diesem Grund ist es unter Ehegatten kaum anzutreffen.
Rz. 317
Praxistipp
Bei Zwangsvollstreckungen ist ein Titel gegen alle Kontoinhaber erforderlich, § 736 ZPO gilt analog.
Rz. 318
Da Kontoinhaber eines Und-Kontos nur gemeinsam über das Konto verfügen können, ist es nur eingeschränkt alltagstauglich und wird in der Regel von Eheleuten nicht gewählt.
bb) Oder-Konto
Rz. 319
Im Falle eines Oder-Kontos ist jeder Ehepartner ohne Mitwirkung des anderen zu Kontoverfügungen berechtigt. Es besteht somit eine vom anderen Kontoinhaber unabhängige Rechtsstellung. Anders als beim Und-Konto steht beiden Ehegatten als Gesamtgläubiger jeweils allein ein eigenes Forderungsrecht gegenüber der Bank zu.
Rz. 320
Trotz des eigenen Forderungsrechts jedes Ehepartners gegen die Bank, darf die Bank aber nicht nach ihrem Belieben an jeden der Kontoinhaber leisten, sondern nur an den, der als erster die Zahlung an sich verlangt hat. Anders als es § 428 BGB vorsieht, ist die Bank in der Wahl des Gläubigers nicht frei. Ein Kreditinstitut kann nicht wählen, an wen es leistet, wenn es hierzu aufgefordert wurde, sondern muss an denjenigen leisten, der das Verlangen an es richtet. Durch die Erfüllung dieses Verlangens geht das Forderungsrecht des anderen Gläubigers automatisch unter (§§ 428, 362 BGB). Demnach ist das in § 428 BGB dem Schuldner eingeräumte "Belieben" bei der Konto- und Depotführung von Kreditinstituten abbedungen, um für jeden Kontoinhaber eine echtes eigenes Forderungsrecht begründen zu können.
Rz. 321
Praxistipp
Ehegatten als Kontoinhaber eines Oder-Kontos haben im Außenverhältnis nicht das Recht, auf das Forderungsrecht des jeweils anderen Kontoinhabers unmittelbar einzuwirken. Darin besteht die große Gefahr eines Oder-Kontos gerade kurz vor oder nach der Trennung der Ehepartner. Im äußersten Fall muss das Kreditinstitut darauf abstellen, mit welchem Forderungsverlangen es sich als erstes befasst hat, welches also als erstes bei ihm eingegangen ist. Dies birgt die Gefahr, dass die Eheleute nach der Trennung versuchen könnten, vor dem jeweils anderen auf das Gemeinschaftskonto Zugriff zu nehmen. Hierauf ist der Mandant hinzuweisen, um ggf. geeignete Maßnahmen abzustimmen, so z.B. auf die Umwandlung des Oder-Kontos in ein Und-Konto hinzuwirken.
Rz. 322
Ergänzend sind bei einem Oder-Konto neben den §§ 428 bis 430 BGB die Regeln der Bruchteilsgemeinschaft anzuwenden.
Rz. 323
Praxistipp
Bei Zwangsvollstreckungen in ein Oder-Konto genügt ein Titel gegen einen Kontoinhaber, um in das Konto vollstrecken zu können.