Michael Brix, Alexander Erbarth
Rz. 634
Es sind bei der Gemeinschaft nach Bruchteilen drei unterschiedliche Ebenen zu unterscheiden:
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die dingliche Seite, d.h. die Art und Weise der Zuständigkeit des Rechts |
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die schuld-und personenrechtliche Seite, die die Rechte und Pflichten der Teilhaber untereinander und ihre Teilnahme an den gemeinschaftlich zu treffenden Maßnahmen betrifft |
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auf der schuldrechtlichen Seite können die Teilhaber nicht nur durch Vereinbarungen ergänzendes Gemeinschaftsrecht schaffen, sondern, weitergehend, auf einer dritten Ebene schuldrechtliche Sondervereinbarungen treffen, die sich nicht auf das Gemeinschaftsverhältnis als solches beziehen, sondern neben diesem ein zusätzliches Schuldverhältnis begründen. |
Rz. 635
Sämtliche Ebenen sind freilich eng miteinander verknüpft.
Zunächst sind, was die Struktur der schlichten Rechtsgemeinschaft betrifft, also zwei Seiten zu unterscheiden: die dingliche, das heißt die Art und Weise der Zuständigkeit des Rechts, und die schuld-und personenrechtliche, die die Rechte und Pflichten der Teilhaber untereinander und ihre Teilnahme an gemeinschaftlich zu treffenden Maßnahmen betrifft. Es muss demgemäß die "Gemeinschaft als Bruchteilsberechtigung" und die "Gemeinschaft als Sonderrechtsverhältnis" auseinandergehalten werden.Karsten Schmidt spricht deshalb zutreffend vom "doppelten Gesicht" der Bruchteilsgemeinschaft. Dabei beruht die schuld-und personenrechtliche Seite der Bruchteilsgemeinschaft gerade auf ihrer dinglichen Seite, nämlich auf der gemeinsamen Rechtszuständigkeit. Die gemeinsame Rechtszuständigkeit ist zugleich Grundlage gesetzlicher Schuldverhältnisse unter den Teilhabern.
Die abweichenden Ansichten von Schnorr und Langhein überzeugen nicht und sind deshalb abzulehnen. Schnorr unternimmt in seiner Habilitationsschrift den Versuch, die Bruchteilsgemeinschaft und die aus ihr folgenden Rechte und Pflichten als rein dinglich zu interpretieren, so genannte "dingliche Einheitstheorie". Insbesondere schuldrechtliche Verpflichtungen sollen demgemäß weder aus §§ 741 ff. BGB noch aus § 1010 BGB folgen. Der ideelle Anteil sei eine bloße Erscheinungsform des Vollrechts mit der Besonderheit der Relativierung der Befugnisse im Innenverhältnis. Jedenfalls de lege lata entspricht ein rein dingliches Verständnis der §§ 741 ff. BGB weder der historischen Ausgangslage entsprechend dem Verständnis der Gesetzesverfasser und Gesetzgeber noch der systematischen Stellung im Schuldrecht und lässt sich auch nicht im Wege der teleologischen Auslegung rechtfertigen. Denn ein rein dingliches Verständnis löst zwar einige Probleme des Rechts der Bruchteilsgemeinschaft, schöpft jedoch die Spezifika der Gemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB nicht aus und erzeugt so zugleich ein Vakuum, das durch schuldrechtliche Hilfskonstruktionen ausgefüllt werden muss, weshalb der Lösungsansatz konzeptionell nicht weiterführt.
Rz. 636
Langhein wiederum ordnet die Gemeinschaft nach Bruchteilen insgesamt als gesetzliches Schuldverhältnis ein. Dagegen spricht, dass die Bruchteilsgemeinschaft als solche eben kein gesetzliches Schuldverhältnis ist, sondern vielmehr nur Quelle einzelner obligatorischer Verpflichtungen. Karsten Schmidt hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Sachfragen und rein terminologische Fragen strikt getrennt werden müssen. Die Sachfragen bestehen darin, ob die Gemeinschaft schuldrechtliche Pflichten begründet und welchen Inhalt diese Pflichten gegebenenfalls haben. Die sich hieran anschließende theoretische Frage ist, ob sich das ergebende gesetzliche Schuldverhältnis terminologisch mit der Bruchteilsgemeinschaft identifiziert werden kann, ob also sie Gemeinschaftsschuldverhältnis "ist". Das ist im Ergebnis zu verneinen. Die Gemeinschaft nach Bruchteilen ist ebensowenig wie das Eigentum ein gesetzliches Schuldverhältnis – beide sind jedoch nach zutreffender Ansicht Rechtsverhältnisse. Diese Verwechslung – die ihrerseits keine rein terminologische ist – scheint bei den Vertretern der Ansicht zugrunde zu liegen, die die Gemeinschaft als solche als gesetzliches Schuldverhältnis ansieht. Der Ausdruck "Rechtsverhältnis" erfasst sowohl eine Rechtsbeziehung als Ganzes als auch die einzelnen Elemente in Form von Rechten, Pflichten und weiteren Befugnissen. Das trifft auf die Gemeinschaft nach Bruchteilen zu. Demgegenüber ist ein Schuldverhältnis, auch ein gesetzliches, ein Rechtsverhältnis, das relative Rechte und Pflichten zwischen mindestens zwei Personen begründet, sofern nur eine Pflicht zur Leistung von vornherein vorhanden ist oder später zur Entstehung gelangen kann. Leistung in diesem Sinne ist diejenige im Sinne von § 241 Abs. 1 S. 1 BGB, der auch hier keine Begriffsbestimmung gibt, wie überhaupt das BGB keinen einheitlichen Leistungsbegriff kennt. Leistung im Sinne von § 241 Abs. 1 BGB ist nur die bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens und damit nie die Befolgung von Ansprüchen, die nicht zur Mehrung fremden Vermögens ...