Michael Brix, Alexander Erbarth
aa) Verfügungsberechtigung im Außenverhältnis
Rz. 19
Bei der Einrichtung eines Oder-Kontos dagegen ist jeder Ehegatte einzeln und allein zur Verfügung über das vorhandene Guthaben berechtigt. Die Ehegatten sind damit für das Kontoguthaben Gesamtgläubiger im Sinne der §§ 428 ff. BGB. Jeder Ehegatte übt gegenüber der Bank ein eigenes Forderungsrecht aus und hat damit im Verhältnis zur Bank gegenüber nachfolgenden Verfügungen des anderen Ehegatten zeitliche Priorität. Zugleich steht jeder Kontoinhaber in der Mithaftung für alle Verfügungen des anderen. Dies hat im Trennungsfall besondere Bedeutung, weil keiner der Kontoinhaber gegenüber der Bank, falls nicht schon bei Kontoeröffnung mit der Bank eine anderslautende Vereinbarung getroffen wurde, einseitig eine Sperrung dieser Einzelverfügungsberechtigung des anderen Ehegatten durch Umwandlung in ein Und-Konto erreichen kann, wenn er missbräuchliche Verfügungen befürchtet. Auch an einer Kündigung muss der andere Ehegatte mitwirken.
bb) Mitberechtigung der Ehegatten im Innenverhältnis
Rz. 20
Bezüglich der vermögensrechtlichen Zuordnung eines vorhandenen Guthabens ergibt sich die Berechtigung der Ehegatten daran unmittelbar nach § 430 BGB zu gleichen Teilen, also in Höhe der Hälfte des Guthabenstandes, soweit zwischen ihnen nichts anderes bestimmt ist.
(1) Bei intakter Ehe
Rz. 21
Zwar gilt auch hier § 430 BGB mit dem Anspruch auf Beteiligung zu gleichen Teilen, während der intakten Ehe legt jedoch zumeist schon die Handhabung des Kontos für die Finanzierung des gemeinsamen ehelichen Zusammenlebens nahe, dass zwischen den Ehegatten (stillschweigend) ein Verzicht auf die Ausgleichungspflicht, also etwas anderes im Sinne des § 430 BGB, vereinbart ist.
Für Verfügungen bis zur Trennung ist es daher Sache des Ehegatten, der sich auf eine hälftige Mitberechtigung an dem Kontoguthaben beruft, darzulegen, dass er auf einen hälftigen Ausgleich im Innenverhältnis nicht verzichtet hat. Dies wird aber anzunehmen sein, wenn die während der intakten Ehe vorgenommenen Kontoverfügungen nicht mehr ehedienlich waren. Das Vertrauensverhältnis der Ehegatten, auf der auch die Einrichtung des Gemeinschaftskontos beruht, berechtigt nicht zu unbeschränkten Verfügungen zur Befriedigung eigennütziger Interessen eines Ehegatten. Dazu sind auch Abhebungen zu rechnen, die ein Ehegatte im Zusammenhang mit der bevorstehenden Trennung vornimmt, um diese zu finanzieren oder anderweitige Ansprüche gegen den Ehegatten abzusichern.
(2) Zum Trennungszeitpunkt
Rz. 22
Ab der Trennung der Ehegatten gilt dann die Vermutung des § 430 BGB. Jedem Ehegatten steht die Hälfte des Kontoguthabens zu. Dabei kommt es auch nicht darauf an, welcher Ehegatte bis dahin wie viel auf das Konto eingezahlt hat. Dies gilt auch dann, wenn der andere Ehegatte nichts zu dem Guthaben beigesteuert hat, beispielsweise bei einer Alleinverdienerehe. Ebenso ist unerheblich, wer die tatsächliche Kontoverwaltung geführt hat.
(3) Veränderungen des Guthabens nach dem Trennungszeitpunkt
Rz. 23
Gehen nach der Trennung weitere Gelder auf dem Oder-Konto ein, muss dann für deren Aufteilung nach den Umständen des Einzelfalles geklärt werden, ob die Vermutungswirkung des § 430 BGB noch greift. Dies hat praktische Bedeutung für alle Zahlungseingänge, für die ein Ehegatte nach manifester Trennung anstelle des gemeinsamen Ehegattenkontos nicht rechtzeitig eine neue Zahlstelle organisieren oder bei seinen Schuldnern bekanntgeben kann. Treffen die Ehegatten anlässlich der Trennung hierzu keine ausdrückliche Vereinbarung, ist es jedoch gerechtfertigt, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach § 157 BGB davon auszugehen, dass die eingehende Gelder demjenigen Ehegatten zustehen sollen, von dessen Schuldnern diese gezahlt werden. Sind die Ehegatten gemeinsam Gläubiger der Forderung, kommt es darauf an, wie diese im Innenverhältnis zu verteilen ist, z.B. bei Steuerrückzahlungen entsprechend den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätzen.
Rz. 24
Erfolgen nach der Trennung noch Auszahlungen von dem Oder-Konto, muss geprüft werden, ob diese Kontoverfügungen von einer anderweitigen Bestimmung der Ehegatten erfasst sind. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn damit gemeinsame Verbindlichkeiten getilgt werden oder die Zahlung nach gemeinsamen Plänen der Ehegatten erfolgt, die nicht durch die Trennung hinfällig geworden sind und somit dem mutmaßlichen Willen des anderen Ehegatten entsprechen. Dazu sind auch Abhebungen zu rechnen, die der Höhe nach entsprechend der bisherigen Handhabung bei intakter Ehe dem Unterhalt des nicht oder nur geringfügig erwerbstätigen Ehegatten dienen, der sich sonst anders nicht unterhalten kann.