Michael Brix, Alexander Erbarth
Rz. 359
Bei einem Oder-Konto kann sich die Frage nach Ausgleichssprüchen aufgrund vom Partner missbilligter Kontenverfügungen stellen. So kann eine sogenannte Kontenplünderung Schadensersatzansprüche zur Folge haben. Allerdings ist auch der Gesamtgläubigerausgleich wegen eigenmächtiger Abbuchung denkbar. Eine Frage, die sich bei einem Und-Konto nicht stellt, da bei einem derartigen Konto einer allein keine Verfügungen treffen kann, die der andere nicht wünscht.
(1) Verfügungen über das Konto während des Zusammenlebens und in zeitlicher Nähe der Trennung
Rz. 360
Für Kontoverfügungen, die während der Ehe den hälftigen Anteil überschreiten, kommen grundsätzlich Ausgleichsansprüche in Betracht. Zu beachten ist aber, dass während intakter Ehe meist eine anderweitige Bestimmung im Sinne eines konkludenten Verzichts auf Ausgleichsansprüche vorliegt. Sinn und Zweck eines Oder-Kontos besteht ja gerade darin, es beiden Ehegatten unabhängig voneinander zu ermöglichen, jederzeit Abhebungen vornehmen zu können. Es soll gerade nicht kleinlich abgerechnet werden, was der eine oder der andere einzahlt oder abhebt. Das Oder-Konto dient im Zweifel der Bestreitung des Unterhaltes der Familie. Durch die Wahl eines Oder-Kontos soll es den Ehegatten gerade möglich sein, vom anderen unabhängige, beliebige Verfügungen vorzunehmen, ohne sich unmittelbar Ausgleichsverpflichtungen auszusetzen. Zumal es praktisch auch kaum durchführbar wäre, möglicherweise erst nach Jahren einen Ausgleich für eine Vielzahl von Kontoverfügungen vorzunehmen. Eine Ausgleichspflicht für während des Zusammenlebens getroffene Kontoverfügungen eines Ehegatten, die über den Hälfteanteil hinausgehen, ist daher meist ausgeschlossen.
Rz. 361
Ausgleichsansprüche sind gleichwohl möglich, wenn auch die Ausnahme. So führt das OLG Zweibrücken in einer Entscheidung aus dem Jahr 1990 aus
Zitat
Bei einer Verfügung über ein Oder-Konto bei intakter Ehe ist in der Regel von einem Verzicht der Ausgleichspflicht gemäß § 430 BGB auszugehen. Davon kann bei einer hohen Geldsumme (167.000,– DM) aber dann nicht ausgegangen werden, wenn der verfügende Ehegatte den anderen nicht davon verständigt hat, dass er das Gemeinschaftskonto aufhebt und das Guthaben auf ein eigenes Konto überweist.
Nicht anders das OLG Düsseldorf in einer Entscheidung aus dem Jahr 1999:
Zitat
Die eheliche Lebensgemeinschaft begründet keinen rechtsfreien Raum, in dem die Vermögenswerte des anderen der Dispositionsfreiheit des jeweils skrupelloseren Ehegatten preisgegeben werden. Auch das "Wesen der Ehe" entzieht den hierdurch Benachteiligten nicht den Schutz der Rechtsordnung. Die Vermutungsregel des § 430 BGB gilt daher auch bei Verfügungen eines Ehegatten über das Oder-Konto während der Ehezeit. (…) Der Ausgleichsanspruch aus § 430 BGB ist nicht auf Abhebungen nach dem endgültigen Getrenntleben der Parteien beschränkt (…), er gilt vielmehr auch für Verfügungen während einer (vermeintlich) "intakten" Ehe. Auch in diesem Fall muss daher der Ehegatte, dem mehr als der hälftige Anteil zugeflossen ist, eine der Ausgleichspflicht entgegenstehende Gestaltung des Innenverhältnisses nachweisen.
Rz. 362
Darüber hinaus erlauben etwaige Ansprüche auf Zugewinnausgleich weder die Zurückhaltung des Ausgleichsbetrages nach § 273 BGB, noch berechtigen sie zur Aufrechnung gegenüber der Ausgleichsforderung.
Rz. 363
Praxistipp
Ein Ausgleichsanspruch nach § 430 BGB besteht auch bei nicht getrennt lebenden Eheleuten. Bewegen sich Kontoverfügungen im Rahmen dessen, was der gemeinschaftlichen Lebensplanung der Ehegatten entspricht, kann während intakter Ehe von einem konkludenten Verzicht auf einen Ausgleich ausgegangen werden. Dazu zählen z.B. Abhebungen zu Zwecken des Familienunterhaltes oder zur Tilgung gemeinsamer Verbindlichkeiten. Werden allerdings durch die Abhebungen Vorhaben finanziert, die nicht von der einverständlichen ehelichen Lebensgestaltung gedeckt sind, handelt es sich um missbräuchliche Verfügungen. In derartigen Konstellationen ist nicht von einem Verzicht auf einen Ausgleich auszugehen. In Betracht kommen insbesondere auch kurz vor der Trennung vorgenommene Verfügungen, die z.B. der Finanzierung der Trennung oder der Bildung von Rücklagen dienen sollen. Es sei denn, dass ein solches Vorgehen von dem mutmaßlichen Willen des anderen Ehegatten gedeckt ist.
(2) Verfügungen über das Konto nach der Trennung
Rz. 364
Mit dem Ende der Gemeinschaft endet in der Regel auch der konkludente Verzicht auf die Ausgleichspflicht. Die während intakter Ehe getroffene stillschweigende Vereinbarung ist dahin auszulegen, dass sie sich grundsätzlich auf Abhebungen während des Zusammenlebens beschränkt. Entnimmt ein Ehegatte bei bevorstehender oder nach endgültiger Trennung mehr als die Hälfte, entsteht regelmäßig ein Ausgleichsanspruch.
Rz. 365
Unter bestimmten Voraussetzungen werden Verfügu...