Michael Brix, Alexander Erbarth
Rz. 86
Fehlt es an einem Ausgleichsanspruch aufgrund Tilgung gemeinsamer Verbindlichkeiten während intakter Ehe, so ändert sich das dogmatische Gefüge gravierend ab dem Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft.
Nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht für einen Ehegatten im Zweifel kein Anlass mehr, an der früheren Übung der Alleinübernahme gemeinsamer Verbindlichkeiten festzuhalten, ohne hierfür einen Ausgleich zu verlangen. Mit dem Scheitern der Ehe ist von einer grundlegenden Veränderung des Gesamtschuldverhältnisses zwischen den Ehegatten auszugehen, denn auch der andere Ehegatte stellt seine Leistung für die Lebensgemeinschaft ein. Dies gilt auch, wenn die Trennung innerhalb der Ehewohnung vollzogen wird, die im Übrigen weiter von beiden Ehegatten – wenn auch nicht mehr gemeinsam – bewohnt wird.
Die Geschäftsgrundlage, gemeinsame Schulden allein ohne Ausgleichsverpflichtung zu tilgen, besteht nicht mehr. Die "anderweitige Bestimmung" nach § 426 Abs. 1 BGB ist weggefallen, dies mit der Folge, dass nunmehr die Freistellungs- und Ausgleichsansprüche für künftige Leistungen gegenüber dem Gläubiger wieder bestehen. Ausnahmen hiervon gelten für gemeinsame Kredite, mit denen keine Vermögensbildung einhergegangen ist ("Konsumkredite"). Ein Ausgleichsanspruch des alleinverdienenden Ehegatten entfällt hier auch für die Zahlungen nach Trennung.
Auch gemeinsame Kredite für den Gewerbebetrieb nur eines Ehegatten sind von diesem weiter allein zu tragen ohne Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB.
Die Beendigung des ehelichen Zusammenlebens ist damit der maßgebliche Einschnitt, welcher zeitlich präzisiert werden muss. Regelmäßig wird dies der Zeitpunkt sein, zudem der Auszug eines Ehegatten aus der ehelichen Wohnung erfolgt oder in sonstiger Weise die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft zum Ausdruck kommt.
Rz. 87
Soweit verschiedentlich auf den Ablauf des Trennungsjahres oder gar auf die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags abgestellt wird, so ist dies zu weitgehend. Der schon bislang leistende Ehegatte würde über Gebühr benachteiligt, denn er kann seine Leistungen unmittelbar nach Trennung nach dieser Auffassung, ebenso wie diejenigen aus der Vergangenheit, noch nicht abrechnen, wogegen der andere Ehegatte seine Leistungen ihm gegenüber im Hinblick auf die Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft bereits vollständig eingestellt hat.
Rz. 88
Der Stichtag der "Trennung" ist vielfach nur mit unzureichender Sicherheit festzustellen, diese Schwierigkeiten hat aber der Gesetzgeber auch bei der Bestimmung des Trennungsjahres und dem erst neuerdings in das Gesetz aufgenommenen Auskunftsanspruch zum Trennungszeitpunkt im Rahmen der Zugewinnausgleichsberechnungen gemäß § 1379 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 BGB bewusst in Kauf genommen, sodass dem Umstand, den Stichtag im Hinblick auf die Zustellung des Scheidungsantrags präzise bestimmen zu können, in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Bedeutung zuzumessen ist, die hinter den vorstehenden "Äquivalenzüberlegungen" zum Wegfall der beiderseitigen Leistungserbringung ohne Ausgleichsverpflichtung zurückzutreten hat.
Die Rechtsprechung stellt auf ein Gegenseitigkeitsverhältnis ab.
Dieses ist aber sofort mit Trennung in Wegfall geraten, nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt.
Die hier vertretene Einordnung der "Trennung" als maßgebliche Zäsur harmoniert auch mit den maßgeblichen Auffassungen zu anderen wesentlichen Regelungsbereichen. Für die Zulässigkeit eines Scheidungsantrages stellt § 1567 BGB auf das "Getrenntleben" ab, die Trennung als solche ist maßgeblich für Regressansprüche bei "Kontoabräumungen" und sie ist auch der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung von Ansprüchen der Eltern des anderen Ehegatten aus Bereicherungsrecht.
Abweichungen im Ausnahmefall von dieser Bewertung sind durchaus möglich, beispielsweise dann, wenn eine Trennung nur probeweise erfolgte, dann kann auf die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags abgestellt werden. Ein tatsächlicher Ausnahmefall wird aber regelmäßig bei näherer Betrachtung gar nicht vorliegen, da eine "Trennung auf Probe" an sich keine Trennung im Rechtssinne, da die nicht getragen von "Ehescheidungsabsicht" ist. Die Darlegungs- und dem folgend Beweislast hat natürlich derjenige Beteiligte im späteren Verfahren, der eine Verschiebung des Stichtages postuliert.