Dr. iur. Nikolas Hölscher
Rz. 72
Der Pflichtteilsanspruch wird bereits mit Eintritt des Erbfalls fällig (§ 271 BGB). Insbesondere tritt die Fälligkeit unabhängig davon ein, ob bei Miterben eine Auseinandersetzung bereits stattgefunden oder ein Testamentsvollstrecker einen Auseinandersetzungsplan aufgestellt hat.
Rz. 73
Jedoch kann sich eine Stundung des Pflichtteilsanspruchs ergeben aus
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einer gerichtlichen Entscheidung nach § 2331a BGB; |
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einer entsprechenden Erblasseranordnung, soweit eine Berechtigung zur Pflichtteilsentziehung (§ 2333 BGB) bestand; |
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einer Stundungsvereinbarung in einem beschränkten Pflichtteilsverzicht (§§ 2346 Abs. 2, 2348 BGB) zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigten; |
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einem Vertrag zwischen künftigen Erben nach § 311b Abs. 5 S. 1 BGB. |
Rz. 74
Die Verzinsung des Pflichtteilsanspruchs tritt nicht bereits mit dem Erbfall ein. Vielmehr richtet sich diese nach den allgemeinen Vorschriften des Schuldrechts. Erforderlich ist daher Verzug oder Rechtshängigkeit (§§ 280 Abs. 2, 286, 288, 291 BGB). Verzug tritt hier nur ein, wenn eine entsprechende Mahnung vorliegt oder der Pflichtteilsschuldner die Erfüllung endgültig und ernsthaft verweigert (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Die anderen in § 286 Abs. 2 und 3 BGB genannten, verzugsbegründenden Umstände scheiden beim Pflichtteilsanspruch regelmäßig aus. Ausnahmsweise können besondere Gründe i.S.v. § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB die Mahnung entbehrlich machen, etwa wenn der Erbe die alsbaldige Leistung ankündigt, dann aber doch nicht leistet. Der Setzung einer besonderen Zahlungsfrist bedarf es für den Verzug ebenso wenig wie eines Hinweises auf die Verzugsfolgen (siehe § 13 Rdn 352). Dabei gerät der Pflichtteilsschuldner grundsätzlich bereits dann in Verzug, wenn der Pflichtteilsberechtigte den unbezifferten Pflichtteil in einer Weise anmahnt, die einem zulässigen unbezifferten Antrag in einer Stufenklage entspricht. Ein Rechtsanwalt kann mithin für einen Zinsschaden haften, wenn er den Erben nicht verzugsbegründend mahnt. Eine Mahnung bewirkt jedoch ausnahmsweise solange keinen Verzug, wie der für die Berechnung des Pflichtteils maßgebende Bestand und Wert des Nachlasses ohne Säumnis des Erben nicht festgestellt ist, da es dann an dem nach § 286 Abs. 4 BGB erforderlichen Verschulden fehlt. Das verzugsbegründende Verschulden entfällt nicht hinsichtlich der unstreitigen Höhe des Pflichtteilsanspruchs, wenn sich aus den eigenen Wertangaben des Erben bereits ein höherer Pflichtteilsanspruch ergibt als die angemahnte Hauptforderung oder der Pflichtteilsanspruch nur hilfsweise geltend gemacht wird, weil der Pflichtteilsberechtigte primär beansprucht, Miterbe geworden zu sein.
Rz. 75
Der Verzugszins beträgt 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 BGB); Gleiches gilt für Prozesszinsen (§ 291 BGB).
Rz. 76
Der Leistungsklage mit ihrer verjährungshemmenden Wirkung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) entspricht, wenn im Rahmen einer Stufenklage (§ 254 ZPO) der Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch geltend gemacht wird, da auch dann letztlich auf die Leistung geklagt wird. Demgegenüber tritt keine Rechtshängigkeit des Pflichtteilsanspruchs mit der verjährungshemmenden (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und Prozesszinsen begründenden (§ 291 BGB) Wirkung ein, wenn zunächst nur eine Auskunftsklage erhoben wird. Denn diese ist gerade nicht auf Leistung gerichtet. Da sich der Rechtsstreit aber über viele Jahre erstrecken kann, ist es besonders wichtig, bereits vor dieser Klagerhebung den Verzug hinsichtlich des Pflichtteilsanspruchs herbeizuführen, insb. die Beweisbarkeit der verzugsbegründenden Mahnung zu sichern.