Rz. 39

Die Rechtsbeziehung zwischen Arzt und Patienten ist das Fundament, auf dem die Patientenverfügung überhaupt entstehen konnte. Das Arzt-Patienten-Verhältnis wird von dem Grundsatz beherrscht, dass der Patient aufgrund seines verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts frei entscheidet, welche Untersuchungen, Heilbehandlungen oder Eingriffe er von denjenigen, die der Arzt als medizinisch indiziert ansieht, zulässt. Er ist – nach ordnungsgemäßer Aufklärung – frei darin zu entscheiden, welche Maßstäbe er für sich wählt und wie mit ihm als Patient zu verfahren ist. Er kann eine Einwilligung in eine Behandlung erteilen, muss es aber nicht. Der Patient kann seine einmal erteilte Einwilligung auch jederzeit widerrufen. Zusammengefasst heißt das: Es gibt keine Vernunfthoheit des Arztes über seinen Patienten.[57]

 

Rz. 40

Willigt der Patient in die medizinisch indizierte angebotene Maßnahme ein, so liegt darin die Rechtfertigung für den Eingriff in seine körperliche Integrität.[58] Ohne Einwilligung bleibt die Maßnahme – sei sie auch noch so sinnvoll und zielführend – eine verbotene Körperverletzung. Sie wird es, sobald in die Fortsetzung einer ärztlichen Maßnahme nicht mehr eingewilligt wird, gleich, ob dies durch Unterlassen weiterer Behandlungsmaßnahmen oder durch aktives Tun umzusetzen ist, wie es etwa das Abschalten eines Respirators oder die Entfernung einer Ernährungssonde darstellen.

[57] BVerfG, Beschl. v. 7.10.1981 – 2 BvR 1194/80 Rn 55; Ulsenheimer/Gaede, Arztstrafrecht in der Praxis, 6. Auflage 2021, Kapitel 1 Rn 356 m.w.N.
[58] BGH, Urt. v. 10.7.1954 – VI ZR 45/54, NJW 1956, 1107 schon mit Hinweis auf RGZ 88, 436; RGZ 163, 138.

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