Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 74
Patientenverfügungen erheben tatsächlich wie rechtlich den Anspruch, Sicherheit für alle Beteiligten – insbesondere am Lebensende – zu schaffen:
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Für den Patienten ist die Patientenverfügung die "Regieanweisung" bzw. die lebzeitige Verwaltungsanordnung für die ärztliche Behandlung und medizinische Pflege in der nicht mehr bestimmbaren Zukunft. Sie muss das imaginäre Gespräch mit dem behandelnden Arzt der Zukunft sein. |
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Für den Bevollmächtigten/Betreuer ist die Patientenverfügung Handlungs-, Pflichten- und Haftungsmaßstab nach Maßgabe des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses zum Patienten. |
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Für den behandelnden Arzt ist die Patientenverfügung Maßstab für ein erlaubtes Handeln oder Unterlassen bei indizierten medizinischen Maßnahmen, also ein Instrument zur Vermeidung von Behandlungsfehlern und strafbaren Handlungen. |
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Für das Betreuungsgericht ist die Patientenverfügung das maßgebliche Arbeitsmaterial für die Entscheidung über "gefährliche" Maßnahmen i.S.v. § 1829 BGB (§ 1904 BGB a.F.). |
Rz. 75
Die Patientenverfügung muss versuchen, diesen Zielen gerecht zu werden. Dazu muss sie auf jeden Fall bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Festlegungen für den Fall der Untersuchung des Gesundheitszustandes, der Heilbehandlung oder des ärztlichen Eingriffs enthalten. Für den positiv verlaufenden Wirksamkeits-Check einer Patientenverfügung sind also konkret detaillierte To-Dos (positive Patientenverfügung) oder Not-To-Dos (negative Patientenverfügung) notwendig.
Rz. 76
Sätze wie "Wenn ich einmal sehr krank und nicht mehr in der Lage bin, ein für mich erträgliches und umweltbezogenes Leben zu führen, möchte ich würdevoll sterben“, "Wenn keine Aussicht auf Besserung im Sinne eines für mich erträglichen und umweltbezogenem Lebens besteht, möchte ich keine lebensverlängernden Maßnahmen", "Es soll ein würdevolles Sterben ermöglicht oder zugelassen werden, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist", "Ich will nicht von Maschinen abhängig sein", "Ich lehne Lebensverlängerung um jeden Preis ab"" sind leere Hüllen ohne Inhalt und müssen konkret gefüllt werden. Die erforderliche Konkretisierung kann sich dann nur im Einzelfall durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, ist dann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln. Das gilt es zu vermeiden.
Rz. 77
Der BGH fordert allgemein:
Zitat
"Neben Erklärungen des Erstellers der Patientenverfügung zu den ärztlichen Maßnahmen, in die er einwilligt oder die er untersagt, verlangt der Bestimmtheitsgrundsatz aber auch, dass die Patientenverfügung erkennen lässt, ob sie in der konkreten Behandlungssituation Geltung beanspruchen soll. Eine Patientenverfügung ist nur dann ausreichend bestimmt, wenn sich feststellen lässt, in welcher Behandlungssituation welche ärztlichen Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen. Danach genügt eine Patientenverfügung, die einerseits konkret die Behandlungssituationen beschreibt, in der die Verfügung gelten soll, und andererseits die ärztlichen Maßnahmen genau bezeichnet, in die der Ersteller einwilligt oder die er untersagt, etwa durch Angaben zur Schmerz- und Symptombehandlung, künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, Wiederbelebung, künstlichen Beatmung, Antibiotikagabe oder Dialyse, dem Bestimmtheitsgrundsatz."
Rz. 78
Inhaltlich begrenzt der BGH die Bestimmtheits- und Konkretisierungsanforderungen durch folgende Überlegungen:
Zitat
"Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen aber auch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Maßgeblich ist nicht, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahnt und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtigt. Insbesondere kann nicht ein gleiches Maß an Präzision verlangt werden, wie es bei der Willenserklärung eines einwilligungsfähigen Kranken in die Vornahme einer ihm angebotenen Behandlungsmaßnahme erreicht werden kann. Andernfalls wären nahezu sämtliche Patientenverfügungen unverbindlich, weil sie den Anforderungen an die Bestimmtheit nicht genügten."
Nachfolgend geht es darum, wie man für den Mandanten ein hinreichend konkretes Dokument erstellt.
Dabei ist vorab immer zu berücksichtigen, was gar nicht geht und deshalb nicht Gegenstand einer Patientenverfügung sein kann. Damit ist nicht nur das unzulässige Verlangen nach der Begehung strafbarer Handlungen gemeint. Dazu gehört z.B. auch die vorab erklärte Einwilligung in freiheitseinschränkende Maßnahmen im Rahmen einer Patientenverfügung. Nach § 1827 BGB (§ 1901a BGB a.F.) kann ein einwilligungsfähiger Volljähriger nur Vorausverfügungen über "Untersuchungen seines Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen od...