Rz. 138

Wenn der Verfügende einer Organ- oder Gewebespende zugestimmt hat, gleichzeitig aber lebenserhaltende Maßnahmen in einer Patientenverfügung ablehnt, so liegen zwei sich scheinbar widersprechende Erklärungen vor, die den Patientenwillen abbilden und interpretiert werden müssen, weil eine postmortale Spende erst zulässig ist, wenn der Hirntod des Spenders feststeht (§§ 3, 5 TPG). Die Spende setzt die Einwilligung des Spenders oder ggf. eines nächsten Angehörigen voraus. § 4 TPG regelt:

 

(1) Liegt dem Arzt, der die Organ- oder Gewebeentnahme vornehmen oder unter dessen Verantwortung die Gewebeentnahme nach § 3 Abs. 1 Satz 2 vorgenommen werden soll, weder eine schriftliche Einwilligung noch ein schriftlicher Widerspruch des möglichen Organ- oder Gewebespenders vor, ist dessen nächster Angehöriger zu befragen, ob ihm von diesem eine Erklärung zur Organ- oder Gewebespende bekannt ist. Ist auch dem nächsten Angehörigen eine solche Erklärung nicht bekannt, so ist die Entnahme unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3, Satz 2 und Abs. 2 Nr. 2 nur zulässig, wenn ein Arzt den nächsten Angehörigen über eine in Frage kommende Organ- oder Gewebeentnahme unterrichtet und dieser ihr zugestimmt hat. Kommt eine Entnahme mehrerer Organe oder Gewebe in Betracht, soll die Einholung der Zustimmung zusammen erfolgen. Der nächste Angehörige hat bei seiner Entscheidung einen mutmaßlichen Willen des möglichen Organ- oder Gewebespenders zu beachten. Der Arzt hat den nächsten Angehörigen hierauf hinzuweisen. Der nächste Angehörige kann mit dem Arzt vereinbaren, dass er seine Erklärung innerhalb einer bestimmten, vereinbarten Frist widerrufen kann; die Vereinbarung bedarf der Schriftform.

(2) Der nächste Angehörige ist nur dann zu einer Entscheidung nach Absatz 1 befugt, wenn er in den letzten zwei Jahren vor dem Tod des möglichen Organ- oder Gewebespenders zu diesem persönlichen Kontakt hatte. Der Arzt hat dies durch Befragung des nächsten Angehörigen festzustellen. Bei mehreren gleichrangigen nächsten Angehörigen genügt es, wenn einer von ihnen nach Absatz 1 beteiligt wird und eine Entscheidung trifft; es ist jedoch der Widerspruch eines jeden von ihnen beachtlich. Ist ein vorrangiger nächster Angehöriger innerhalb angemessener Zeit nicht erreichbar, genügt die Beteiligung und Entscheidung des zuerst erreichbaren nächsten Angehörigen. Dem nächsten Angehörigen steht eine volljährige Person gleich, die dem möglichen Organ- oder Gewebespender bis zu seinem Tode in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahegestanden hat; sie tritt neben den nächsten Angehörigen.

(3) …

(4) Der Arzt hat Ablauf, Inhalt und Ergebnis der Beteiligung der nächsten Angehörigen sowie der Personen nach Absatz 2 Satz 5 und Absatz 3 aufzuzeichnen. Die nächsten Angehörigen sowie die Personen nach Absatz 2 Satz 5 und Absatz 3 haben das Recht auf Einsichtnahme.

 

Rz. 139

Entscheidend ist, dass § 4 Abs. 3 TPG regelt, dass die Kompetenz über eine Organ- und Gewebespende auch auf einen Dritten übertragen werden kann:

 

(3) Hatte der mögliche Organ- oder Gewebespender die Entscheidung über eine Organ- oder Gewebeentnahme einer bestimmten Person übertragen, tritt diese an die Stelle des nächsten Angehörigen.

 

Rz. 140

In der Beratung taucht manchmal die Frage auf, ob man denn nicht zu alt für eine Organ- oder Gewebespende sei. Die veröffentlichten Hinweise dazu sind nicht einheitlich. Auf der website des Bundesgesundheitsministeriums[174] heißt es dazu:

Zitat

"Es gibt keine feste Altersgrenze für eine Organ- und Gewebespende. Ob gespendete Organe und Gewebe für eine Transplantation geeignet sind, kann erst im Fall einer tatsächlichen Spende medizinisch geprüft werden. Spenderorgane, die diese Prüfung nicht bestehen, werden nicht übertragen. Wichtig ist dabei nicht das kalendarische Alter des Spenders, sondern das "biologische Alter", d.h. der Zustand der Organe und Gewebe. Generell gilt: Je jünger die verstorbene Person ist, desto besser eignen sich die Organe in der Regel zur Transplantation. Doch auch die funktionstüchtige Niere einer über 70-jährigen verstorbenen Person kann einem Dialyse- und Wartelistenpatienten wieder ein fast normales Leben ermöglichen."

1999 wurde von der Vermittlungsstelle Eurotransplant (ET) das European Senior Programm (ESP) eingeführt. Dieses europäische Seniorenprogramm ist ein von ET entwickeltes Sonderprogramm, das potenziellen Wartelisten-Empfängern ab dem 65. Lebensjahr die Chance bietet, durch die Vermittlung eines Organs eines Spenders, der ebenfalls 65 Jahre oder älter ist, die Wartezeit auf eine notwendige Transplantation zu verkürzen.“

 

Rz. 141

In der Beratung muss darüber aufgeklärt werden, dass bis zur Entnahme von Organen intensivmedizinische Maßnahmen fortgeführt werden müssen, um die Transplantationsfähigkeit zu erhalten. Die Bundesärztekammer hat ein Arbeitspapier[175] erarbeitet, mit dem sie den scheinbaren Widerspruch in Abhängigkeit zur jeweils konkreten Situation aufzulösen versucht und konkrete Formulierun...

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