Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 122
Die beschriebenen Lebens- und Behandlungssituationen müssen in einem nächsten Schritt mit speziellen typischen und lebenserhaltenden bzw. lebensverlängernden Behandlungsmaßnahmen in Bezug gesetzt werden.
Rz. 123
Muster 3.13: Eingangsformel zu Einleitung, Umfang oder Beendigung bestimmter ärztlicher Maßnahmen
Muster 3.13: Eingangsformel zu Einleitung, Umfang oder Beendigung bestimmter ärztlicher Maßnahmen
Lebenserhaltende Maßnahmen
In den oben beschriebenen Situationen (alternativ: in den folgenden Situationen) wünsche ich, dass _________________________, in anderen _________________________,
dass alles medizinisch Mögliche und Sinnvolle getan wird, um mich am Leben zu erhalten
alternativ:
dass alle lebenserhaltenden Maßnahmen unterlassen bzw. abgebrochen werden.
Rz. 124
Der Eingangsformel folgen dann spezielle medizinische Behandlungsmaßnahmen.
Hinweis
Es ist ausdrücklich nicht Aufgabe der anwaltlichen Beratung, auch medizinische Fragen zu beraten. Es ist aber Aufgabe, auf die Situationen aufmerksam zu machen, die gängig in eine Patientenverfügung aufgenommen werden sollten.
(1) Künstliche Ernährung und künstliche Flüssigkeitszufuhr
Rz. 125
Natürliche Ernährung ist die Ernährung über den Mund. Künstliche Ernährung kann als Ernährung
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über den Verdauungstrakt (enterale Ernährung) |
▪ |
unter Umgehung des Verdauungstraktes (parenterale Ernährung) |
durchgeführt werden.
Bei der parenteralen Ernährung werden Nährstoffe durch Infusionen direkt in die Blutbahn verabreicht. Der Verdauungstrakt wird völlig umgangen.
Die enterale Ernährung wird über den Magen-Darm-Trakt durchgeführt. Dies geschieht z.B. durch eine Magensonde. Dabei wird ein Schlauch durch Nase oder Mund, Rachen und Speiseröhre in den Magen oder bis in einen Teil des Dünndarms geführt.
Rz. 126
Die häufiger verwendete Alternative ist die perkutane endoskopische Gastrotomie. Dabei handelt es sich um einen endoskopisch angelegten direkten Zugang zum Magen, der die Bauchwand durchdringt. Dazu wird ein elastischer Kunststoffschlauch (PEG-Sonde) im Rahmen einer Magenspiegelung angelegt. Der Patient kann bei dieser Art der Ernährung/Medikation weiterhin schlucken. Die Aspirationsgefahr ist verringert. Welche Art der künstlichen Ernährung gewählt wird, hängt insbesondere von der prognostizierten Dauer und der Indikation ab. Bei einer irreversiblen schweren Schluckstörung kommt in der Regel nur eine PEG-Sonde in Betracht.
Rz. 127
Das Verbot der künstlichen Ernährung und der künstlichen Flüssigkeitszufuhr löst bei vielen Mandanten die Vision eines Verhungerns und Verdurstens unter großen Qualen aus. Andere wählen dagegen selbstbestimmt durch den freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit den Tod.
Von einem gesunden Erwachsenen müssen zur Erhaltung der Körperfunktionen täglich ca. 1,5 l Wasser aufgenommen werden. Dabei spielt die Umgebungstemperatur wegen der Wasserverdunstung eine Rolle. In der letzten Lebensphase besteht dagegen eher eine Neigung zur Überwässerung mit nachfolgenden Ödemen, so dass man von einem reduzierten Flüssigkeitsstoffwechsel ausgeht. Das ist nicht anders bei der Ernährung: "Am Lebensende verliert die an einem kalorien- und inhaltsstoffbezogenen objektivierten Bedarf orientierte Nahrungszufuhr zunehmend an Bedeutung."
Rz. 128
Die Wahrnehmung von Hunger und Durst ist in der letzten Lebens-/Sterbephase aus ärztlicher Sicht bei älteren und sterbenden Menschen verändert. Es sollen bereits kleinste Mengen von Flüssigkeit und Nahrung reichen. In der eigentlichen Sterbephase sollen Menschen in der Regel eher keinen Hunger haben. Die Entwässerung soll eine Ausschüttung körpereigener Opiate und einen euphorisierenden Effekt durch Veränderung des Stoffwechsels bewirken. Und es wird beschrieben, dass es eine Reihe von Vorteilen einer verminderten Flüssigkeitszufuhr am Lebensende gäbe: weniger Erbrechen, Verringerung von Husten und Verschleimung, Verringerung von Wasseransammlungen in Gewebe, Lunge und Bauch sowie weniger Schmerzen. Das Durstgefühl hänge dagegen nicht von einer weiteren künstlichen Flüssigkeitszufuhr ab, sondern werde durch Austrocknung von Mundschleimhäuten, z.B. durch die Beatmungsmaske, verursacht. Diese können die Mediziner und die Pfleger aber wohl durch diverse Maßnahmen hinreichend gut in den Griff bekommen. Es sollte daher immer frühzeitig versucht werden, vom Patienten konkrete Erklärungen zu bekommen.
Rz. 129
Die künstliche Nahrungs- und Flüssigkeitsgabe kann in einzelnen Situationen nicht mehr indiziert sein und ist deshalb auch ohne Patientenverfügung ausgeschlossen. Das Legen einer PEG-Sonde ist nach Borasio bei Menschen mit einer fortgeschrittenen Demenz nicht nur unwirksam, sondern schädlich.
Rz. 130
Es wird empfohlen, im Rahmen einer Patientenverfügung auf jeden Fall mehrere Szenarien anzusprechen und "durchzuspielen":
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fortgeschrittene Demenz-Erkrankung |
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Wachkoma mit hoher Wahrscheinlichkeit der irreversiblen Bewusstlosigkeit |
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schwerer Schlaganfall in fortgeschrittenem Lebensalter mit hoher Wahrscheinlichkeit der bleibende... |