Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 144
Wenn Menschen bereits erkrankt sind oder in der Gefahr der (wiederholten) Erkrankung stehen, ist es notwendig, sich ganz konkret mit der real bestehenden Erkrankungs- oder Gefährdungssituation auseinanderzusetzen.
Hinweis
Es ist ausdrücklich nicht Aufgabe der anwaltlichen Beratung, auch medizinische Fragen zu beraten! Es ist aber Aufgabe, auf die Situationen aufmerksam zu machen, die einer speziellen ärztlichen Beratung bedürfen, um Probleme bei der Umsetzung der Patientenverfügung auszuschließen. Wenn der Mandant eine ärztliche Beratung ablehnt, sollte dies in der Patientenverfügung dokumentiert werden, da der Mandant damit eine rechtserhebliche Risikoentscheidung trifft.
Zum Teil finden sich in der juristischen Literatur Hinweise dazu, z.B. bei progredient fortschreitenden Erkrankungen wie z.B. der Alzheimer-Erkrankung, zum Teil muss man sehr danach suchen. Hinweise finden sich bei medizinischen Fachgesellschaften und Stiftungen.
(1) Beispiel: Herzschrittmacher und Kombigeräte
Rz. 145
Mandanten mit einer Herzerkrankung, die einen Herzschrittmacher mit oder ohne Defibrillatorfunktion tragen oder ihn voraussichtlich erhalten werden, sollten die speziellen Fragen, die sich daraus ergeben, insbesondere, wenn weitere schwerwiegende Erkrankungen hinzutreten, unbedingt mit ihrem Arzt besprechen und entscheiden. Das Ergebnis sollte in die Patientenverfügung aufgenommen werden.
Im Netz finden sich Hinweise darauf, welche Situationen regelungsbedürftig sein könnten.
Rz. 146
Muster 3.18: Wechsel der Batterie eines Herzschrittmacher- oder ICD-Geräts 177 Vorschlag der Schweizerischen Herzstiftung: www.swissheart.ch/fileadmin/user_upload/Swissheart/Shop/Patienten/ICD_Beiblatt_2016_DE.pdf.
Muster 3.18: Wechsel der Batterie eines Herzschrittmacher- oder ICD-Geräts
Falls sich abzeichnet, dass die Batterie meines Herzschrittmachers oder ICDs bald leer sein wird, will ich, dass
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die Batterie ausgewechselt wird (falls dies medizinisch indiziert ist), |
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die Batterie nicht ausgewechselt wird. Ich nehme damit in Kauf, dass mein Leben verkürzt werden wird, |
insbesondere wenn mein Herz vom Herzschrittmacher abhängig ist.
Abschalten des ICDs oder des Herzschrittmachers am Lebensende
Ich bin Träger/in eines ICD-Geräts. Falls es sich aufgrund meiner zusätzlichen Erkrankung oder meiner Herzerkrankung abzeichnet, dass mein Leben zu Ende geht, will ich, dass
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die Ärzte die Defibrillatorfunktion meines Geräts ausschalten. Eine allfällige Verkürzung des Lebens nehme ich damit in Kauf. |
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die Ärzte die Defibrillatorfunktion meines Geräts nicht ausschalten. |
Ich bin Träger/in eines Herzschrittmachers. Falls es sich aufgrund meiner zusätzlichen Erkrankung oder meiner Herzerkrankung abzeichnet, dass mein Leben zu Ende geht, möchte ich,
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dass der behandelnde Kardiologe den Herzschrittmacher abschaltet. Mir ist bewusst, dass sich dadurch meine Lebensqualität verschlechtern kann. Falls ich vital vom Herzschrittmacher abhängig bin, hat dieses Abschalten unmittelbar den Tod zur Folge. |
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dass der behandelnde Kardiologe den Herzschrittmacher nicht abschaltet. |
(2) Beispiel: Amyotrophe Lateralsklerose
Rz. 147
Die Forderung nach einer lebens- und krankheitsgerechten Patientenverfügung gilt ganz sicher auch für Patienten, die an einer sog. amyotrophen Lateralsklerose erkrankt sind. Die amyotrophe Lateralsklerose ist eine chronische neurologische Erkrankung. Es findet sich ein Zugrundegehen ausschließlich motorischer Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark. Es treten keine Gefühlsstörungen, Intelligenzeinbußen oder Persönlichkeitsveränderungen bei den Patienten auf. Die Erkrankung schreitet rasch fort. Bei den meisten Patienten besteht spätestens nach zwei Jahren Pflegebedürftigkeit. Die wesentlichen Probleme bei zunehmender Lähmung bestehen in dem zunehmenden Unvermögen, ausreichend Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen und in der eingeschränkten Funktion ausreichend zu atmen. Diese Perspektive ist relativ gesichert vorhersehbar. Es besteht daher die Notwendigkeit eine sehr konkrete, auf die Lebenssituation abgestimmte Patientenverfügung zu erstellen.