Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 178
In einem Patientenverfügungsdokument können ergänzend Verfügungen zu der gewünschten Betreuungs- und Pflegesituation in der Zukunft gemacht werden. Das erleichtert den Vertretern die Entscheidung darüber, für welche Zwecke die vorhandenen wirtschaftlichen Mittel verwendet werden sollen und müssen. Aber es geht hier auch um die Lebensqualität des Betroffenen. Warum?
Rz. 179
Die Menschen sind unterschiedlich. So kann das Zweitbettzimmer für den einen der blanke Horror sein, während den anderen die Isolation eines Einzelzimmers schreckt. Traumatische Erfahrungen aus der Vergangenheit können für die Pflege bedeutsam sein. Wer aufschreibt, was er erlitten hat, macht deutlich, warum er es z.B. nicht erträgt, von einem andersgeschlechtlichen Pfleger katheterisiert zu werden, warum er keine Beatmungsmaske erträgt, bei einer Untersuchung in einem MRT-Gerät in existentielle Panik verfällt etc.
Rz. 180
Auch die "kleinen Dinge", die nicht Patientenverfügungen i.S.d Gesetzes, aber genauso wichtig wie die rechtlichen Essentialia sind, müssen in einer anwaltlich gestalteten Patientenverfügung nicht außen vor bleiben. "Mein Fuß muss immer rauskucken", fordert Abt-Zegelin in ihren persönlichen Anmerkungen zur Patientenverfügung. Die Missachtung dieser Forderung – so ihre Einschätzung – könnte ihr das Leben unerträglich machen.
Rz. 181
Muster 3.25: Festlegungen zu Behandlung und Pflege allgemein
Muster 3.25: Festlegungen zu Behandlung und Pflege allgemein
Ich lehne eine Unterbringung in einer stationären Einrichtung ab und bin auch aus finanziellen Gründen in der Lage, rund um die Uhr zu Hause gepflegt zu werden.
Alternativ: Solange und soweit dies mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße, fachgerechte und wirtschaftliche Behandlung und Pflege in Übereinklang zu bringen ist, wünsche ich in meiner gewohnten Umgebung zu verbleiben. Vor der Unterbringung in einer stationären Einrichtung wünsche ich die Prüfung der Möglichkeiten in einer Wohngemeinschaft oder der Tagespflege/Nachtpflege.
Sollte eine Unterbringung in einer stationären Einrichtung unvermeidbar sein, so muss gewährleistet sein, dass
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diese Einrichtung diese Patientenverfügung uneingeschränkt akzeptiert und umsetzt |
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ich in einem Einzelzimmer mit eigenem Sanitärbereich untergebracht werde |
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meinen religiösen Vorstellungen in dieser Einrichtung entsprochen wird |
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Pflegepersonal in meiner Muttersprache zur Pflege zur Verfügung steht |
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mein Wunsch beachtet wird, nur von gleichgeschlechtlichem Pflegepersonal versorgt zu werden |
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ich Ansprache und Anregung erfahre |
Ich wünsche keine seelsorgerliche Betreuung/alternativ: Ich wünsche seelsorgerliche Betreuung
Ich wünsche die Aufnahme in ein Hospiz in der Endphase einer schweren Krankheit /alternativ: Ich lehne die Aufnahme in ein Hospiz ab
Rz. 182
Es sind ggf. auch Angaben im Hinblick für die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen im Sinne des § 1831 BGB (§ 1906 BGB a.F.) sinnvoll. Pflegeeinrichtungen fürchten Regressverfahren, bei denen ihnen vorgeworfen wird, dass sie nicht genug für den Schutz ihrer Bewohner getan hätten. Insbesondere geht es dabei um Stürze in Heimen und um das Weglaufen aus Heimen, dem man mit freiheitseinschränkenden Maßnahmen (FEM) zu begegnen sucht, obwohl bekannt ist, dass
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die Anwendung von FEM nicht mit einer Verringerung der Stürze assoziiert ist |
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die Reduktion von FEM nicht mit einer Zunahme von Stürzen einhergeht |
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es Hinweise gibt, dass sich das Sturzrisiko der von FEM betroffenen Personen in Zeiten ohne FEM sogar erhöht |
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die Empfehlungen des aktualisierten Expertenstandards zur Sturzprophylaxe FEM als ungeeignete Maßnahmen zur Sturzprävention einstufen und freiheitsbeschränkende Maßnahmen danach keinesfalls zur Sturzvorbeugung eingesetzt werden dürfen. |
Rz. 183
Die Entscheidungskompetenz über solche Maßnahmen steht allein dem Betroffenen zu. Er hat ein Recht auf Unvernunft, Krankheit, Tod und kann die Freiheit der Freiheitseinschränkung aus Fürsorgegründen ablehnen. Dieses Recht erleidet keine Einschränkung aus dem Versicherungsverhältnis zur Krankenkasse, so dass der Betroffene nicht fürchten muss, seine medizinische Versorgung nicht mehr sicherstellen zu können.
Hinweis
Deswegen kann es sich empfehlen, in die Patientenverfügung ggf. Hinweise zur Haftungsfreistellung aufzunehmen, wenn auf Sicherheit zugunsten der Freiheit verzichtet wird. Dies ist möglich. Es kann lediglich nicht auf Schadensersatz bei vorsätzlicher Schädigung verzichtet werden (§ 276 Abs. 3 BGB)