1. Gesetzliche Regelung
Rz. 22
Die lange Zeit strittigen Fragen der Pfändbarkeit von Kindergeld wurden bereits durch das 1. Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuches weitgehend bereinigt. Eine entsprechende Änderung erfolgte bei der Vorschrift über die Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen mit Sozialleistungen nach § 850e Nr. 2a ZPO. Auf das wichtigste Regulativ der Pfändung, die Zweckbestimmung des Kindergeldes, kommt es nicht an.
Rz. 23
Auch nach geltendem Recht kann Kindergeld nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines Kindes gepfändet werden, das bei der Festsetzung der Geldleistung selbst berücksichtigt wird, sog. "Zahlkind" (= Kinder, für die der Leistungsberechtigte tatsächlich Kindergeld erhält) bzw. "Zählkind" (= Kinder, für die der Leistungsberechtigte kein Kindergeld erhält, die jedoch die Ordnungszahl nach dem Lebensalter für die Zahlkinder erhöhen, sog. Zählkindergeldvorteil, § 54 Abs. 5 SGB I).
Rz. 24
Somit können diejenigen Kinder nicht in Kindergeld pfänden, die bei der Kindergeldfestsetzung nicht berücksichtigt werden, z.B. weil sie verheiratet sind oder die Altersgrenze überschritten haben. Aufgrund des höchstpersönlichen Charakters von Kindergeld kann das Pfändungsprivileg auch nicht von einem Dritten, z.B. nach Anspruchsübergang, ausgeübt werden.
2. Zahlkind und Zählkind
Rz. 25
Wird die Pfändung durch ein Zahlkind erwirkt und sind lediglich weitere Zahlkinder vorhanden, bestimmt sich der pfändbare Betrag nach Kopfteilen am gesamten Kindergeldbetrag (§ 54 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 S. 1 SGB I).
Rz. 26
Beispiel
Der Schuldner ist verheiratet und hat vier Kinder, für die er Kindergeld erhält, und zwar 2 × 219,00 EUR (für die ersten beiden Kinder) zzgl. 225,00 EUR (für das dritte Kind) und 250,00 EUR für das vierte Kind, insgesamt 913,00 EUR.
Auf jedes Kind entfällt somit ¼ = 228,25 EUR. Bis zu diesem Betrag wäre die Pfändung durch ein Kind zulässig.
Rz. 27
Wird die Pfändung durch ein Zahlkind erwirkt und sind sowohl weitere Zahlkinder als auch ein Zählkind vorhanden, ist zunächst der Betrag zu ermitteln, der sich ohne Berücksichtigung des Zählkindes ergeben würde; das Zahlkind kann zunächst den Kopfteilbetrag beanspruchen (§ 54 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 S. 2 SGB I). Sodann ist der Zählkindervorteil zu ermitteln und gleichmäßig auf alle Kinder zu verteilen, die bei der Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des Schuldners zu berücksichtigen sind (§ 54 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 SGB I).
Rz. 28
Beispiel
Der Schuldner lebt getrennt, hat drei Kinder in seinem Haushalt und das erstgeborene Kind lebt im Haushalt der Mutter, die das Kindergeld für dieses Kind erhält (= 219,00 EUR). Der Schuldner erhält an Kindergeld 219,00 EUR + 225,00 EUR + 250,00 EUR = 694,00 EUR. Das erstgeborene Kind vollstreckt.
Bei drei Zahlkindern würde das Kindergeld 663,00 EUR betragen und auf jedes Kind würde ⅓ mit 221,00 EUR entfallen. Der Zählkindervorteil beträgt (694,00 EUR – 663,00 EUR) = 31,00 EUR. Dieser Betrag ist mit je ¼ auf alle Kinder aufzuteilen = 7,75 EUR. Für ein pfändendes Zahlkind wären somit max. pfändbar (219,00 EUR + 7,75 EUR) = 226,75 EUR; hierauf ist das direkt erhaltene Kindergeld von 219,00 EUR selbstverständlich anzurechnen.
Rz. 29
Sofern vorstehend das zweitgeborene Kind vollstrecken würde, ergibt sich im Ergebnis auch für dieses Kind ein Kindergeldanteil von 219,00 EUR; nur erhält das zweitgeborene Kind bereits Kindergeld i.H.v. 219,00 EUR. Dieses Ergebnis ist nach der Gesetzeslage jedoch hinzunehmen.
Rz. 30
Hinweis
Nach dem EStG hat der Steuerpflichtige die Wahl, anstelle des Kindergeldes für jedes Kind einen Steuerfreibetrag in Anspruch zu nehmen. Dies führt dann zu einer Erhöhung der Nettobezüge des Schuldners. Der Steuerfreibetrag führt gleichzeitig nach einer Pfändung des Arbeitseinkommens zu einem höheren pfändbaren Betrag und kommt somit jedem Pfändungsgläubiger zugute und nicht mehr dem privilegierten Kind.
Rz. 31
Hinweis ab 1.1.2023
Mit der Anhebung der Kindergeldbeträge auf einheitlich 250 EUR je Kind, gibt es rechnerisch keinen Zählkindergeldvorteil mehr. § 54 Abs. 5 S. 2 SGB I läuft insoweit ins Leere.